Hätte bei der Ahrtalflut von Behördenseite mehr getan werden können? Unter Ermittlungen gegen den Ex-Landrat des Kreises Ahrweiler ist nun ein Schlussstrich gezogen – zum Ärger von Hinterbliebenen.
Ende eines wahren Justiz-Marathons: Mehr als vier Jahre nach der verheerenden Ahrtalflut gibt es einen Schlussstrich unter die Ermittlungen gegen den Ex-Landrat des Kreises Ahrweiler. Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz wies Beschwerden zur Einstellung der Ermittlungen gegen Jürgen Pföhler (CDU) zurück, wie die Behörde in Koblenz mitteilte. Damit muss die Staatsanwaltschaft nicht mehr tätig werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft kam nach eigenen Angaben zu dem Schluss, dass die vorangegangen und am Ende eingestellten Ermittlungen der Koblenzer Staatsanwaltschaft vollständig geführt wurden. Die Bewertung der Ermittlungsergebnisse durch die Staatsanwaltschaft habe der Sach- und Rechtslage entsprochen, daher seien die Beschwerden von Hinterbliebenen unbegründet. Bei deren Anwalt stößt die Entscheidung auf Unverständnis.
Flut riss im Ahrtal 135 Menschen in den Tod
Bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 starben in Rheinland-Pfalz 136 Menschen, 135 davon im Ahrtal und ein Mensch im Raum Trier. Ein Mensch aus der Ahr-Region gilt weiter als vermisst. In den Monaten und Jahren nach der Katastrophe gab es nach Angaben des Opferbeauftragten der Landesregierung sieben Suizide, die im konkreten Zusammenhang mit der Flut stehen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte bis zur Einstellung rund zweieinhalb Jahre gegen Pföhler und einen Mitarbeiter des Krisenstabes unter anderem wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Die Behörde kam letztlich unter anderem zu dem Schluss, dass das extreme Ausmaß der Naturkatastrophe für die Verantwortlichen des Landkreises Ahrweiler nicht konkret vorhersehbar war.
Die Generalstaatsanwaltschaft erklärte nun, ob das Tun der Verantwortlichen seinerzeit eine strafrechtliche Relevanz gehabt habe, müsse immer vor dem Hintergrund des damaligen Wissensstandes geprüft werden. Ziehe man diesen heran, sei weder den Feuerwehren vor Ort noch der technischen Einsatzleitung des Landkreises eine Pflichtwidrigkeit zur Last zu legen, die „schwallweise Sturzflut“ nicht erkannt zu haben.
Generalstaatsanwaltschaft: Pföhler war telefonisch erreichbar
Pföhler als damaliger Landrat sei damals zumindest telefonisch erreichbar gewesen, einzelne Maßnahmen seien mit ihm wohl abgesprochen gewesen. Die Ermittlungen hätten keine Hinweise darauf gebracht, dass er „bessere Maßnahmen“ hätte treffen können.
Daran ändere auch nichts, dass in der Flutnacht beim Kreis kein vollständiger Führungsstab eingerichtet worden sei. „Darüber, dass ein vollständiger Führungsstab zu anderen Bewertungen gekommen wäre, lässt sich allenfalls spekulieren“, betonte die Generalstaatsanwaltschaft. Grundsätzlich hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine andere Gestaltung des Katastrophenschutzes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Tod von Menschen ganz oder teilweise in der Flutnacht verhindert hätte.
Generalstaatsanwaltschaft äußert sich auch zu ADD
Die Staatsanwaltschaft habe es auch zu Recht unterlassen, den Verfahrenskomplex auf andere Beschuldigte zu erstrecken. Mit Blick auf die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) und deren Präsident Thomas Linnertz sei nicht zu erkennen, was diese konkret hätte anders tun können. Nach der Flut war der Behörde und Linnertz unter anderem vorgeworfen worden, dass sie nicht schon früher die Einsatzleitung übernommen habe.
Anwalt Christian Hecken, der eine Reihe von Hinterbliebenen vertritt, sagte, für ihn sei die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz erwartbar gewesen. Er hätte sich eine Überprüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft in Zweibrücken gewünscht. Das wäre die geeignete Stelle gewesen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Nun bleibe lediglich noch die Möglichkeit, einen Antrag auf Klageerzwingung zu stellen. Aller Voraussicht nach wird Ex-Landrat Pföhler aber nicht vor Gericht müssen.
Disziplinarverfahren gegen Pföhler läuft noch
Abseits der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen läuft gegen den Ex-Landrat noch ein Disziplinarverfahren. In dem geht es um mögliche Verstöße gegen beamtenrechtliche Pflichten. Pföhler bekommt aktuell nur zwei Drittel seines Ruhegehalts, weil in dem Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werde, wie das rheinland-pfälzische Innenministerium im September erklärte.









