Polen: Eltern halten Tochter 27 Jahre lang gefangen

Mit 15 wird Mirella Opfer einer Entführung durch ihre eigenen Eltern. 27 Jahre lang lebt sie eingesperrt im Haus – ohne Sonne, ohne Freiheit, ohne dass jemand etwas bemerkt.

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Ende Juli wird die Polizei zur Wohnung der Eltern im polnischen Świętochłowice gerufen. Der Zeitung „Fakt“ erzählt eine Nachbarin namens Luzia, dass sie mitten in der Nacht laute Stimmen gehört hätten. Doch in der Wohnung finden die Beamten nicht nur das Rentnerpaar, sondern auch noch eine völlig abgemagerte Frau.

Es ist Mirella, von der seit 27 Jahren niemand mehr etwas gesehen oder gehört hat. Laut der Zeitung war die 42-Jährige völlig verwahrlost. Sie hatte große Wunden und Entzündungen an den Beinen, die bis auf die Knochen reichten. Freunde und Unterstützer der Frau schreiben auf der Spendenseite pomagam.pl, dass Mirella in all den Jahren nie einen Arzt oder einen Friseur gesehen habe. Sie sei noch nicht mal auf den Balkon oder gar spazieren gegangen. Stattdessen habe die Frau Tag um Tag in einem Zimmer ausharren müssen und nur selten zur Toilette gedurft. Die Fenster der Wohnung seien fast immer fest verschlossen gewesen.

Den Nachbarn erzählten die Eltern offenbar, dass ihre Tochter vermisst sei, schreibt „Fakt“. Doch weil niemand nach der Jugendlichen suchte, änderten sie offenbar ihre Geschichte und behaupteten plötzlich, das Mädchen sei zu seinen leiblichen Eltern zurückgebracht worden. Danach stellte offenbar niemand weitere Fragen und Mirella geriet in Vergessenheit.

Mirella lebte 27 Jahre lang eingesperrt in der Wohnung ihrer Eltern in Polen
© pomagam.pl

Doch währenddessen saß die Frau weiter in der Wohnung gefangen und durfte nicht mehr nach draußen gehen. „Ich erinnere mich an sie aus meiner Kindheit. Sie war ein normales, gesundes Kind. Wir rannten im Garten herum, kletterten auf Bäume“, erinnert sich die Nachbarin Luzia im „Fakt“-Interview. Mirella sei ein gesunder Teenager gewesen.

Entführung: Mirella wurde Jahrzehntelang von ihren Eltern eingesperrt

Doch von dem normalen, gesunden Mädchen ist heute nicht mehr viel übrig. Als die Polizei Mirella fand, war sie nur Tage vom Tod entfernt. Die Frau habe kaum laufen können, als sie aus der Wohnung gebracht wurde, erinnert sich eine andere Nachbarin. Die Wunden an ihren Beinen waren so schwer infiziert, dass sie wohl wenig später gestorben wäre, wenn sie nicht im Krankenhaus behandelt worden wäre, heißt es in dem Spendenaufruf für die gerettete Frau.

Sie habe kaum eigene Kleidung besessen. Niemand habe Unterwäsche oder Menstruationsprodukte für Mirella gekauft. Sie war nur mit einem Morgenmantel bekleidet, als Rettungskräfte sie aus der Wohnung holten. Auf Fotos aus Mirellas Zimmer ist zu sehen, wie die Frau auf einem viel zu kurzen Bett liegt. Um sie herum sind noch ihre Kinderspielsachen im Regal. Die Frau sei weder versichert gewesen, noch habe sie einen Ausweis. Für die Behörden existierte sie gar nicht.

Die Organisatoren der Spendenkampagne sammeln jetzt Geld, um der 42-Jährigen zu helfen, endlich ein Leben in Freiheit zu führen – unabhängig von ihren Eltern. Dafür braucht Mirella so gut wie alles – eine eigene Wohnung, Einrichtung, Kleidung, Hygieneartikel, juristischen Beistand und psychologische Hilfe, um die fast 30 Jahre in Gefangenschaft irgendwie aufzuarbeiten und nachzuholen, was sie alles verpasst hat. Inzwischen sind umgerechnet schon über 12.000 Euro zusammengekommen.

Im Interview mit „Fakt“ erzählen die Initiatoren der Spendenkampagne, dass Mirella sehr intelligent sei und trotz allem, was ihr passiert ist, viele Träume habe. „Sie ist sehr kontaktfreudig und neugierig auf die Welt“, heißt es auch in dem Spendenaufruf. Die Ermittlungen gegen die Eltern der 42-Jährigen laufen noch.

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Verwendete Quellen: Fakt, pomagam.pl, Daily Mail