Anti-Einwanderungs-Partei legt zu: Japans Regierung verliert Mehrheit – Regierungschef Ishiba will aber weitermachen

Die Koalition von Ministerpräsident Ishiba hat in beiden Parlamentskammern keine Mehrheit mehr. Eine „Japan-First“-Partei räumt ab. Dem Land droht politische Instabilität.

Nach einem enttäuschenden Ergebnis bei der Wahl zum japanischen Oberhaus will Japans Regierungschef Shigeru Ishiba weiter regieren. Auf die Frage, ob er im Amt bleiben werde, sagte Ishiba am Montag zu japanischen Medien: „Das ist richtig.“ Seine Regierungskoalition hatte zuvor nach Angaben des japanischen Fernsehsenders NHK die Mehrheit im Oberhaus knapp verloren. Die Niederlage hatte sich abgezeichnet. 

Wie japanische Medien unter Berufung auf eigene Hochrechnungen meldeten, gewannen die konservaive Regierungspartei LDP und ihr Koalitionspartner Komeito nur rund 41 von 125 zu besetzenden Sitzen. Um ihre Mehrheit im Oberhaus zu verteidigen, hätte die Regierung mindestens 50 Sitze gewinnen müssen. „Es ist eine schwierige Situation, der wir uns mit viel Demut und ernsthaft stellen müssen“, sagte Ishiba dazu dem Rundfunksender NHK.

Der seit Oktober 2024 amtierende Ishiba führt eine Koalition an, die auch im Unterhaus über keine Mehrheit verfügt. Er sagte bereits am Sonntag, er akzeptiere das „harte Ergebnis“. Auf die Frage, ob er Regierungschef bleiben wolle, antwortete er: „Das ist richtig.“ Der gegenwärtige Fokus der Regierung sind nach eigenen Angaben die drohenden Zölle der US-Regierung, die der Exportnation Japan schwer zusetzen könnten.

Der Politikprofessor Hidehiro Yamamoto sagte der Nachrichtenagentur AFP, der Regierungschef könnte nach der Wahlschlappe seinen Posten verlieren. Es sei aber noch unklar, wer ihm nachfolgen könnte. Ishiba werde hochrangige LDP-Mitglieder voraussichtlich später am Montag zu einem Treffen einberufen und über seinen Verbleib im Amt informieren, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Jiji Press.

Steigende Verbraucherpreise sind Thema bei Oberhauswahl in Japan

Viele Wähler zeigten sich den Umfragen zufolge unzufrieden mit der Reaktion der Regierung auf die steigenden Verbraucherpreise. Insbesondere der Anstieg der Reispreise sorgte für Frustration. Oppositionsparteien trafen mit ihren Forderungen nach Steuersenkungen und höheren Sozialausgaben offenbar einen Nerv. „Die meisten Haushalte wünschen sich eine Senkung der Verbrauchssteuer, um die Inflation zu bekämpfen, was die LDP jedoch ablehnt“, sagte David Boling von der Beratungsfirma Eurasia Group. Die Opposition habe dies aufgegriffen und zu ihrer zentralen Botschaft gemacht.

Bei der Wahl am Sonntag stand die Hälfte der 248 Sitze im Oberhaus zur Abstimmung. Die Niederlage schwächt die Regierungskoalition weiter, die bereits im Oktober ihre Mehrheit im mächtigeren Unterhaus verloren hatte. Der Verlust der Kontrolle auch über das Oberhaus dürfte Ishiba politisch weiter zusetzen.

Einwanderungskritische Partei Sanseito legt deutlich zu

Als Überraschung der Oberhauswahl galt das starke Abschneiden der rechten Anti-Einwanderungs-Partei Sanseito. Die vor einigen Jahren auf YouTube entstandene Bewegung hatte für ihre Politik mit einer „Japan Zuerst“-Kampagne und Warnungen vor einer „stillen Invasion“ durch Ausländer geworben. Mit „Japan Zuerst“ wolle man den Widerstand gegen die Globalisierung zum Ausdruck bringen, um die Lebensgrundlage der Japaner wiederherzustellen, sagte Parteichef Sohei Kamiya nach der Abstimmung dem Sender Nippon Television. Eine grundsätzliche Ausländerfeindlichkeit verneinte er: „Ich sage nicht, dass wir die Einwanderung komplett stoppen oder dass jeder Ausländer Japan verlassen sollte.“

In Japan, das stolz auf seine homogene Gesellschaft ist, erreichte die Zahl der im Ausland geborenen Einwohner im vergangenen Jahr mit rund 3,8 Millionen einen Rekordwert. Dies entspricht drei Prozent der Gesamtbevölkerung, ein deutlich geringerer Anteil als in den USA oder Europa. Die japanische Gesellschaft ist jedoch viel weniger auf den Zuzug vorbereitet als europäische Gesellschaften.

Sanseito-Chef Sohei Kamiya
© Kyodo News

Japans Medien berichten vermehrt über negative Seiten der Zuwanderung wie Missbrauch der nationalen Krankenversicherung und mehr Verkehrsunfälle. Hinzu kommt der Boom an ausländischen Touristen. In Medien ist oft von rüpelhaftem Verhalten die Rede. Immer mehr Japaner fühlen sich unwohl.

Den Prognosen zufolge könnte Sanseito mindestens 13 Sitze gewinnen, nachdem sie zuvor einen Sitz innehatte. Ihr Hauptaugenmerk auf die Einwanderung hat die politische Debatte in Japan nach rechts verschoben.

Japan droht politische Instabilität

Die Partei entstand während der Covid-Pandemie auf der Videoplattform YouTube. Dort verbreitete sie zunächst Verschwörungstheorien über Impfungen und die angeblichen Machenschaften globaler Eliten. Mit 400.000 Abonnenten hat der YouTube-Kanal der Partei heute mehr als jede andere politische Kraft des Landes und dreimal so viele wie die Regierungspartei LDP von Ministerpräsident Ishiba. Den Kern der Anhängerschaft bilden Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren.

Der 47-jährige Kamiya – ein ehemaliger Supermarktmanager und Englischlehrer – sagte der Nachrichtenagentur Reuters vor der Abstimmung, er habe sich vom „kühnen politischen Stil“ des US-Präsidenten Donald Trump inspirieren lassen. Er selbst hatte im Jahr 2022 den ersten Sitz für die Partei gewonnen. 

Der mit Deutschland zur G7-Gruppe gehörenden Wirtschaftsnation Japan droht nun politische Instabilität. Der Verlust der Mehrheit im Oberhaus schwächt das Regierungsbündnis des konservativen Ministerpräsidenten Ishiba zusätzlich. Für Ishibas Partei LDP, die Japan seit 1955 fast ununterbrochen regierte, war bereits das schlechte Abschneiden bei der Unterhauswahl im Oktober eine Demütigung. Die Partei ist durch einen Korruptionsskandal geschwächt, der Ishidas Vorgänger Fumio Kishida zum Rücktritt gezwungen hatte.

„Auch wenn sich die Regierungskoalition jetzt noch an die Macht klammern kann, deutet viel darauf hin, dass sie bei der nächsten Unterhauswahl abgelöst werden wird“, erklärte Axel Klein, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen, der Deutschen Presse-Agentur in Tokio. „Die Wählerschaft glaubt jetzt daran, dass die Opposition realistische Chancen auf eine Regierungsübernahme hat, und wird deshalb sehr viel eher bereit sein, bei der nächsten Wahl für eine der Oppositionsparteien zu stimmen“, sagte Klein.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde aktualisiert.