Merz verteidigt verschärfte Migrationspolitik und betont Kontrollen „auf Zeit“

Vor dem Treffen einiger EU-Innenminister auf der Zugspitze hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die Verschärfungen der deutschen Migrationspolitik verteidigt, aber zugleich deren vorübergehenden Charakter betont. „Wir sind uns einig, dass wir unsere Städte und Gemeinden, unsere Gesellschaft insgesamt mit irregulärer Migration nicht weiter überfordern dürfen“, sagte der Kanzler am Freitag bei seiner Sommerpressekonferenz in Berlin. Scharfe Kritik an der deutschen Migrationspolitik kam dagegen von der Flüchtlingsbeauftragten Natalie Pawlik (SPD).

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) kam am Freitag mit einigen seiner europäischen Amtskollegen auf der Zugspitze zusammen. Von dem Treffen solle das Signal ausgehen, „dass Deutschland nicht mehr im Bremserhäuschen sitzt in der EU, sondern dass wir mit in der Lokomotive fahren, wenn es darum geht, die Migrationspolitik zu verschärfen“, sagte Dobrindt in der ARD. An dem Treffen auf dem höchsten deutschen Berggipfel nahmen die Innenminister Frankreichs, Polens, Österreichs, Dänemarks und Tschechiens sowie EU-Innenkommissar Magnus Brunner teil.

Ziel des sogenannten „Zugspitz-Summit“ sei es, eine „Verschärfung der europäischen Migrationspolitik“ herbeizuführen, erklärte Dobrindt. Konkret kündigte der Minister eine Initiative in der EU zu Abschiebungen in Drittstaaten an. „In diesem Fall wollen wir die Möglichkeit schaffen, Migranten in Nachbarländer in der Nähe der Herkunftsländer zurückzuführen“, sagte er. Außerdem solle die Prüfung von Asylanträgen innerhalb Europas vereinfacht werden.

Dobrindt hatte Anfang Mai verstärkte Kontrollen und die Zurückweisung von Asylsuchenden an deutschen Grenzen angeordnet. Polen kritisierte dies und führte als Reaktion darauf seinerseits vorübergehende Grenzkontrollen ein. 

Merz verteidigte vor dem Hintergrund die Migrationspolitik der Bundesregierung. Die Grenzkontrollen, die seit dem ersten Tag der Amtszeit der neuen Regierung verstärkt worden seien, „zeigen Wirkung“, sagte Merz. Er betonte aber: „Was wir zurzeit in Deutschland machen, geht nur auf Zeit, das wissen wir, das weiß auch der Bundesinnenminister.“ Es müsse aber passieren, „solange es nicht in Europa einen besseren Schutz der Außengrenzen gibt“.

Der Kanzler wurde auch auf die berühmt gewordene Äußerung angesprochen, die die frühere Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Sommer-Pressekonferenz des Jahres 2015 mit Blick auf die Flüchtlingsaufnahme getan hatte: „Wir schaffen das.“ Merz sagte dazu: „Heute wissen wir, dass wir es in diesem Bereich, den sie damals gemeint hat, offenkundig nicht geschafft haben.“

Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Pawlik, äußerte sich kritisch zu Dobrindts Migrationspolitik. „Wir wollen Steuerung, Ordnung, aber keinen Migrationsverhinderungsturbo“, erklärte die Staatsministerin im Kanzleramt. Wichtig sei vielmehr, die deutsche Migrationspolitik „zu modernisieren und Integration zu stärken“.

„Wenn heute der ‚Migrationsturbo‘ auf der Zugspitze gezündet werden soll, muss klar sein, dass eine restriktive Asylpolitik und Abschreckung Europa nicht weiterbringt“, erklärte die SPD-Politikerin. Was Deutschland bei der Umsetzung des geplanten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) in deutsches Recht hingegen nicht brauche, sei, „Asylsuchende, Familien und minderjährige Kinder in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken oder sogar vorsorglich in Haft zu nehmen“, warnte die Flüchtlingsbeauftragte. „Der Schutz vulnerabler Gruppen darf nicht angetastet werden.“

Wenige Stunden vor dem Treffen auf der Zugspitze gaben Merz und Dobrindt einen weiteren Abschiebeflug aus Deutschland in Richtung Afghanistan bekannt. An Bord seien „schwere und schwerste Straftäter, die abgeschoben werden“, sagte dazu Dobrindt am Freitagmorgen nach dem Start der Maschine der Fluggesellschaft Qatar Airways in Leipzig. An Bord waren demnach 81 Männer mit afghanischer Staatsbürgerschaft.

Kritik an der Migrationspolitik der Regierung äußerte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. „Dobrindt will Menschen in Länder abschieben, zu denen sie keinerlei Bezüge haben“, erklärte die Generalsekretärin der deutschen Sektion, Julia Duchrow, zu den von Dobrindt befürworteten Abschiebungen in Drittstaaten. Sie wandte sich auch gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Die  menschenrechtliche Lage dort sei „katastrophal“. „Niemand, auch nicht Straftäter, verdienen eine öffentliche Hinrichtung, Folter oder den Tod“, erklärte Duchrow. „Menschenrechte gelten entweder für alle Menschen, oder für niemanden.“