Grünen-Politikerin Piechotta: Spahns schärfste Widersacherin

Die Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta geht Jens Spahn in der Maskenaffäre hart an. Die Ärztin aus Leipzig ist direkt – aber immer wieder überspannt sie den Bogen.

„In der Krise, wenn’s hart auf hart kommt: Ist Jens Spahn einer, der die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertritt?“, fragt Paula Piechotta am Rednerpult im Bundestag, und fügt an: „Oder verrät?“ Der Ton ist gesetzt.

Und die Grünen-Politikerin will diese Fragen klären. Sie gehe jetzt gleich zurück in den Haushaltsausschuss, sagt sie am Mittwoch noch. Dort war der ehemalige Bundesgesundheitsminister, heute Fraktionschef der Union, geladen, um Fragen zur teils chaotischen Maskenbeschaffung während der Pandemie zu beantworten – zu viele Masken wurden gekauft, zu einem verhältnismäßig hohen Preis. Der Großteil davon wurde am Ende nicht gebraucht. 

Piechotta hat sich tief in die Details der Maskenbeschaffung eingegraben

Es ist eine Debatte, die dem Unionsfraktionschef höchst ungelegen kommt – weshalb er zunehmend genervt darauf reagiert. Im Haushaltsausschuss dürfte Spahn besonders Respekt vor (oder besonderen Groll gegen) Paula Piechotta gehabt haben: Die Politikerin der Grünen aus Sachsen, 38 Jahre alt, ist in der Maskenaffäre zu seiner schärfsten Widersacherin geworden. Die zuvor eher unbekannte Abgeordnete hat sich tief in die Details der Maskenbeschaffung während der Corona-Pandemie eingegraben und treibt Spahn mit scharfen Aussagen in Interviews und Statements vor sich her. 

Ist Spahn durch seine damals abgeschlossenen Lieferverträge mit Händlern, zu denen er teils private Kontakte hatte, heute noch erpressbar? Diese Frage stellt Piechotta, die im Haushaltsausschuss und als stellvertretendes Mitglied auch im Gesundheitsausschuss sitzt, immer wieder in den Raum. Und warum hat Spahn darauf verzichtet, auf Schadenersatz zu klagen, als teils deutliche Mängel bei den teuer beschafften Masken ersichtlich wurden?

Auch deshalb hatte Piechotta lautstark gefordert, dass der Bericht einer Sonderermittlerin, die Spahns Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) als Gesundheitsminister eingesetzt hatte, den Abgeordneten zugänglich gemacht wird – und empörte sich anschließend über die darin geschwärzten Seiten. Ihre Beiträge dazu in den sozialen Medien versieht sie gern mit dem Hashtag „spahnruecktritt“.

Die Ärztin aus Leipzig, erst seit der vergangenen Legislatur im Bundestag, gilt als ambitioniert. Als die Grünen die wichtigen Posten in der Fraktion vor einigen Wochen neu vergaben, kursierte zwischenzeitlich auch ihr Name als eine der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden – wohl schon allein, weil die Grünen kaum eine Person aus Ostdeutschland in einer prominenteren Rolle haben. Es kam am Ende anders, doch nun hat sich Piechotta in der Maskenaffäre auch ohne wichtige Funktion Bekanntheit erarbeitet.

Grüne und Linke können keinen Untersuchungsausschuss einsetzen

Allerdings befinden sich die Grünen – und damit auch Piechotta – in einer vertrackten Lage: Mit ihrer seit der vergangenen Bundestagswahl geschrumpften Fraktion kommen sie nicht auf genügend Stimmen, um gemeinsam mit der Linksfraktion einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dieser gilt als das schärfste Schwert der Opposition, denn er kann Missstände und Fehlverhalten prüfen, indem er Zeugen vernehmen und sich Akten vorlegen lassen kann. 

Weil die Grünen und die Linken keinen Untersuchungsausschuss einsetzen können, sieht es derzeit eher danach aus, dass sich das Thema bald abkühlen dürfte. Zur Freude der Union, die argumentiert, dass es sich damals um eine Ausnahmesituation während einer Pandemie gehandelt habe, und die zusätzlich der Sonderermittlerin eine parteipolitische Motivation unterstellt. 

Auch in der SPD will sich niemand gegen den Unionsfraktionschef stellen. Dort sehen die Parlamentarier mit dem Bericht aus dem Gesundheitsministerium die nötige Transparenz gegeben. Zudem soll sich eine sogenannte Enquete-Kommission insgesamt mit der Zeit der Pandemie auseinandersetzen.

Den Grünen bleibt in der Situation nur der Druck über die Öffentlichkeit. Vielleicht lässt sich so auch erklären, wieso Piechotta zuletzt zu einem drastischen Mittel griff: Sie lud einen kurzen Videoausschnitt des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in den sozialen Medien hoch, in dem dieser einen Untersuchungsausschuss fordert. Piechotta schreibt dazu: „Söder geht gegen Spahn. Jetzt beginnt eine neue Phase.“

Nur stimmt das nicht. Denn Söder spricht dort über einen Untersuchungsausschuss gegen den damaligen grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck wegen Subventionen für den nun pleitegegangenen schwedischen Batteriehersteller Northvolt. Das geht aus dem von Piechotta verkürzt hochgeladenen Videoausschnitt nicht hervor. Eine Stunde nach ihrem ursprünglichen Posting kommentiert die Grüne darunter, man könne das, was Söder da „vermeintlich“ zu Habeck sage, „viel zu direkt“ auch auf Spahn beziehen. Doch auch Grüne gingen deshalb zuerst davon aus, dass Söder sich tatsächlich gegen Spahn stellte. Man kann das Desinformation nennen – um der Aufmerksamkeit willen.

Nannte Scholz „Arschloch“

Schon einmal überspannte Piechotta den Bogen, nämlich als sie im Wahlkampf den damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD als „Arschloch“ bezeichnete. In einem Podcast sagte sie damals: „Alle in der SPD wissen, dass Olaf Scholz ein Arschloch ist.“ Zunächst wollte sie sich dafür nicht entschuldigen, sie habe nur eine Auffassung der SPD wiedergegeben. Später tat sie das doch.

Manchmal geht es mit ihrer direkten Art nach hinten los. Wachsen ihr solche Debatten über den Kopf, dürfte sie ganz froh sein, wenn sie sich in Leipzig den Arztkittel überstreift: Als Radiologin arbeitet Piechotta zweimal im Monat am dortigen Universitätsklinikum. „Das wollte ich nie wegwerfen, will auch im Job fit bleiben“, sagte sie dazu einmal. „Um innerlich unabhängig zu bleiben.“