Polizeigewerkschaft beklagt Verunsicherung bei Beamten nach Zurückweisungsurteil

Nach dem Berliner Gerichtsurteil zu Zurückweisungen hat die Gewerkschaft der Polizei eine wachsende Verunsicherung von Beamtinnen und Beamten im Grenzeinsatz beklagt. Mit dem Urteil komme „jetzt eine gewisse Verunsicherung im Kollegenkreis auf“, sagte Andreas Roßkopf, der für die Bundespolizei zuständige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), am Mittwoch im WDR. Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) betonte indes den Einzelfallcharakter des Gerichtsurteils, Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) äußerte sich dagegen nach der Entscheidung skeptisch zu Zurückweisungen.

Das Berliner Verwaltungsgericht hatte drei Menschen aus Somalia Recht gegeben, die sich gegen ihre Zurückweisung ohne Dublin-Verfahren wehrten. Es erklärte die Zurückweisungen für rechtswidrig. Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) betonten im Anschluss, dass es sich bei dem Gerichtsurteil nur um eine Einzelfallentscheidung handele – beide ließen keine Abkehr von ihrem Migrationskurs erkennen.

Polizeigewerkschaftler Roßkopf sagte nun, die Einsatzkräfte an den Grenzen hätten laufend mit Fällen zu tun, wie sie nun vom Gericht beanstandet wurden. Zwar habe sich das Urteil auf die Fälle von drei Somaliern beschränkt. „Aber es bleibt festzuhalten, dass es Fälle sind, die wir tagtäglich haben“, sagte Roßkopf. Die Beamtinnen und Beamten fragten sich, ob sie sich haftbar machen, wenn sie Anordnungen zur Zurückweisung umsetzten, die möglicherweise rechtswidrig seien, fuhr Roßkopf fort. Hier müsse Dobrindt Klarheit schaffen. 

„Die Weisung ist umzusetzen, aber die Haftung der Kollegen muss explizit letztendlich rausgenommen werden“, sagte er. Roßkopf verwies darauf, dass Beamte eine sogenannte Remonstrationspflicht hätten, wenn sie es mit offenkundig rechtswidrigen Anweisungen zu tun hätten. Sie müssten sich dann zu Wort melden, „damit sie eben aus dieser Verantwortung rauskommen“, betonte er.

Kanzleramtsminister Frei versicherte in der ARD, dass sich die Bundesregierung „selbstverständlich“ an das Urteil halten werde. Die drei Somalier, die vor das Verwaltungsgericht gezogen waren, sollen nun ein Asylverfahren bekommen. Allerdings könne das Berliner Verwaltungsgericht „selbstverständlich nicht über die Rechtslage in ganz Deutschland entscheiden“, weshalb das Urteil „keine Maßgabe für das Regierungshandeln im Ganzen“ sei. 

„Wir befinden uns in einem umstrittenen Rechtsbereich, hier gibt es keine klare Lage, schwarz und weiß“, gab Frei zu bedenken. Die Bundesregierung müsse „deutlich begründen, warum wir uns hier auf nationales Recht stützen“.

Justizministerin Hubig (SPD) betonte ebenfalls, dass das Gericht nicht abschließend geklärt habe, ob Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen mit europäischem Recht vereinbar seien. „Es wird aber nicht einfach werden, die Justiz davon zu überzeugen, dass diese Zurückweisungen rechtmäßig sind“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Hubig sagte weiter: „In einem Rechtsstaat wie Deutschland muss sich selbstverständlich auch die Regierung an Gerichtsentscheidungen halten.“ Deshalb sei klar: „Die Eilentscheidungen des Berliner Verwaltungsgerichts müssen befolgt werden.“ Sie habe aber keinen Zweifel daran, dass dies auch geschehe. „Alle Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration müssen im Einklang stehen mit europäischem Recht und Verfassungsrecht“, sagte sie.

Hubigs Parteikollege Dirk Wiese erwartet in dem in Rede stehenden Fall noch ein Hauptsacheverfahren. Die Eilentscheidung schränke „bestimmte Spielräume“ der Bundesregierung ein. Ähnlich äußerte sich bereits Kanzler Merz. Er betrachte die „Gerichtsschelte“, besonders „aus rechten Kreisen“ mit Sorge, sagte Wiese.

Die Grünen äußerten erneut grundsätzliche Kritik am Migrationskurs der neuen Bundesregierung. Das Urteil sei „die schlichte Quittung dafür“, dass Dobrindt die Zurückweisungen „in fahrlässiger Weise angeordnet hat“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Irene Mihalic am Mittwoch. Das Gericht habe zwar eine Einzelfallentscheidung getroffen, sich aber „mit grundsätzlichen Fragen auseinandergesetzt“.

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel forderte „von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zum Rechtsstaat“. Es falle auch in die Fürsorgepflicht eines Innenministers, Einsatzkräfte der Bundespolizei „nicht für rechtsstaatlich zweifelhafte Symbolpolitik zu missbrauchen“, erklärte Piel