Seit dem 1. Juni sind Einweg-E-Zigaretten in Großbritannien verboten. Die bunten Vapes gefährden Gesundheit und Umwelt. Wann traut sich Deutschland an ein Verbot?
Selten war bei einem Produkt so klar, dass es schädlich ist, wie bei Einweg-E-Zigaretten: Die bunten, billigen Dampfer mit ihren vielfältigen Aromen, von Apfel über Cherry-Cola bis zu Kiwi oder Wassermelone, sind beliebt bei jungen Menschen. Aber sie bergen ernsthafte Risiken: Zum einen können sie abhängig machen und der Gesundheit schaden, denn auch sie enthalten Nikotin und beim Verdampfen werden krebserregende Stoffe inhaliert. Weniger als bei herkömmlichen Zigaretten, aber dennoch gesundheitsgefährdend.
E-Zigaretten enthalten Nikotin und krebserregende Substanzen
Zweitens enthalten die in ihnen verbauten Mini-Akkus kostbare Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Kupfer, die durch den Einmalgebrauch sinnlos vergeudet werden. „In sieben Einweg-E-Vapes steckt so viel Lithium wie in einem Handy“, sagt Anja Siegesmund, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft.
Drittens lösen die Einweg-E-Zigaretten gefährliche Brände in Müllanlagen aus, die zu millionenschweren Schäden führen. In den Vapes sind Mini-Akkus verbaut, die – statt beim Händler abgegeben zu werden, wie es eigentlich geschehen sollte – meist falsch entsorgt werden. Deshalb sind die weggeworfenen Dampfer, ebenso wie andere falsch entsorgte Geräte mit derlei Batterien, wortwörtlich brandgefährlich. Allein in Deutschland kommt es im Schnitt pro Woche zu 30 Bränden in der Branche.
Eine EU-Verordnung sieht vor, dass bis Ende 2026 die Einmal-E-Zigaretten verboten werden. Belgien ist bereits vorgeprescht und hat das Verbot umgesetzt. Nun folgt ausgerechnet Großbritannien, ein Land, das nicht einmal mehr EU-Mitglied ist, wo zudem der Liberalismus stark und die Sorge vor einem übergriffigen „Nanny-Staat“ groß ist.
Andererseits hat auch der „Public-Health“- Gedanke im britischen Gesundheitssystem eine lange Tradition – die Erkenntnis, dass man durch wissenschaftlich begründete Regulierung die Gesundheit des Einzelnen oft wirksamer schützen kann als durch wohlfeile Appelle an individuelle Verhaltensänderungen. Die 2018 eingeführte Steuer auf zuckerhaltige Softdrinks hat beispielsweise dazu geführt, dass der Zuckergehalt von Limonaden drastisch gesenkt wurde; auch die Fettleibigkeit bei Kindern verringerte sich teilweise, etwa bei Mädchen aus sozial schwächeren Gegenden.
Beim Thema Tabak ist erklärtes Ziel der britischen Regierung, dass junge Generationen künftig rauchfrei sind. Das hatte bereits die konservative Vorgängerregierung mit einem entsprechenden Gesetz auf den Weg gebracht. Vor allem der Weg in die Abhängigkeit soll gestoppt werden. Die meisten Raucher beginnen in jungen Jahren mit dem Tabakkonsum, 70 Prozent der späteren Raucher, das zeigen Daten aus Großbritannien, wünschten, sie hätten niemals mit dem Qualmen angefangen.
Tabaklobby: sechs Millionen Euro im Jahr für politische Einflußnahme
Die Frage ist: Warum verbietet nicht auch Deutschland schon jetzt den Vertrieb von Wegwerf-E-Zigaretten? Sie sind eine Einstiegsdroge. Das Risiko, später auf Tabakzigaretten umzusteigen, ist bei jungen E-Zigaretten-Konsumenten dreimal höher als bei ihren abstinenten Altersgenossen, schrieb die Bundesärztekammer (BÄK) 2024 in einem offenen Brief an die damalige Bundesumweltministerin Steffi Lemke.
Das in den Produkten enthaltene Nikotin könne die Hirnentwicklung negative beeinflussen und abhängig machen. Zudem enthielten sie krebserregende Substanzen und können die Atemorgane und das Herz-Kreislauf-System angreifen. „Aus medizinischer Sicht ist klar: Einweg-E-Zigaretten müssen verboten werden“, forderte Dr. Josef Mischo, Co-Vorsitzender des BÄK-Ausschusses Sucht und Drogen.
Unterschrieben haben den offenen Brief das Deutsche Krebsforschungszentrum, die Deutsche Lungenstiftung, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, die Deutsche Umwelthilfe, der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft.
Und bereits 2023 forderten alle 16 Bundesländer gemeinsam im Bundesrat ein solches Verbot. Breiter kann eine gesellschaftliche Allianz nicht sein.
Eine mögliche Erklärung für das Zögern der politisch Verantwortlichen könnte der große Einfluss der Tabaklobby in Deutschland sein. „Mindestens 90 Lobbyistinnen und Lobbyisten und ein Budget von mehr als sechs Millionen Euro pro Jahr ermöglichen es der finanzstarken Tabakindustrie, sich in die Politikgestaltung einzumischen und ihre Interessen zu verfolgen“, heißt es in einem Bericht des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) aus dem Jahr 2023. In dem vom DKFZ herausgegebenen Tabaklobby-Index steht Deutschland auf Platz 67 von 90 untersuchten Staaten. „Die Regierung zeigt keine Bereitschaft, eine wirksame Firewall gegen den Einfluss der Tabakindustrie zu errichten und damit die Bevölkerung vor den gesundheitsschädlichen Produkten und Praktiken der Tabakindustrie zu schützen“, so Laura Graen, eine der Autorinnen des Tabaklobby-Index.
Seit einem Monat hat Deutschland eine neue Regierung. Sie kann nun zeigen, dass sie die Gesundheit der Menschen ernst nimmt.