Sensation bei Filmfestival: Erstmals deutsche Regisseurin in Cannes ausgezeichnet

Mascha Schilinski traute ihren Ohren kaum: Beim Filmfestival in Cannes wurde sie mit einem Preis geehrt. Doch beim Schreiben ihrer Dankesrede hatte sie mit Problemen zu kämpfen.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Filmfestivals ist in Cannes eine deutsche Regisseurin ausgezeichnet worden: Die Berliner Filmemacherin und Drehbuchautorin Mascha Schilinski erhielt für „In die Sonne schauen“ (Sound of Falling) am Samstag den Preis der Jury. Die Goldene Palme ging an den heimlich gedrehten Film des iranischen Regisseurs und Dissidenten Jafar Panahi „Ein einfacher Unfall“. Weitere Preise gab es für den Polit-Thriller „The Secret Agent“ und das Filmdrama „Die jüngste Tochter“.

„Als erste deutsche Regisseurin hat sie in Cannes einen Preis gewonnen“, erklärte der Präsident der Filmförderungsanstalt, Bernd Neumann, und gratulierte Schilinski zu ihrem „sensationellen Erfolg“.

Die 41-jährige Schilinski nahm die Auszeichnung bei der Abschlussgala von der US-Schauspielerin Da’Vine Joy Randolph entgegen. Sie erhielt als einzige von sieben Regisseurinnen, die am Wettbewerb teilnahmen, einen Preis.

Mascha Schilinski: „Irgendwie ein surrealer Moment“

Sie habe „Schwierigkeiten gehabt, ihre Dankesrede zu schreiben“, scherzte Schilinski mit Verweis auf einen mehr als fünfstündigen Stromausfall in Südfrankreich am Samstag. Zudem habe sie mit einem gewissen Unglauben auf ihre Auszeichnung bei den Filmfestspielen in Cannes reagiert. „Ich habe Angst gehabt, dass ich es falsch gehört habe oder nicht richtig gehört habe“, sagte die 41-Jährige. „Es war irgendwie ein surrealer Moment, einfach wundervoll.“

Der Film „In die Sonne schauen“ spielt auf einem abgelegenen Hof in der ostdeutschen Altmark, auf dem sich die Lebensgeschichten von vier Frauen verschiedener Generationen kreuzen. „Wir wollten herausfinden, wie Traumata über Generationen hinweg unsere Körper prägen“, sagte Schilinski.

Die Idee zu dem Film sei ihr und der Ko-Autorin Louise Peter gekommen, als sie sich auf jenem verlassenen Hof in der Altmark aufhielten und dort ein historisches Foto von drei Frauen entdeckten, die dort gelebt hatten. Kinostart in Deutschland ist am 11. September. 

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gratulierte Schilinski zu ihrem Film, „der durch seine bildmächtige Erzählform und seine leise, aber eindringliche Kraft berührt“. Es sei ein großartiger Erfolg für die Regisseurin „die ihre ganz eigene Filmsprache gefunden hat und nun auch international für Aufsehen sorgt“, erklärte Weimer.

Cannes-Jurypreis wird geteilt

Schilinski teilt sich den Preis der Jury dem spanischen Regisseur Oliver Laxe, der für das Roadmovie „Sirat“ ausgezeichnet wurde, in dem ein Vater seine nach einer Rave-Party in Marokko verschwundene Tochter sucht. Das Melodram „Sentimental Value“ des dänisch-norwegischen Regisseurs Joachim Trier wurde mit dem Großen Preis geehrt.

Der mit dem Hauptpreis ausgezeichnete iranische Film „Ein einfacher Unfall“ handelt von fünf ehemaligen politischen Gefangenen, die ihrem mutmaßlichen Folterer begegnen. Für den hochpolitischen und gleichzeitig ironischen Film ließ sich der 64-jährige Panahi von seinen eigenen zwei Haftaufenthalten im Iran inspirieren. Der Film, den Panahi heimlich in seiner Heimat gedreht hatte, hatte bei seiner Premiere in Cannes acht Minuten lang Beifall erhalten.

Panahi wurde die Goldene Palme von Jury-Präsidentin Juliette Binoche und der Schauspielerin Cate Blanchett überreicht. In seiner Dankesrede rief Panahi „alle Iraner mit all ihren unterschiedlichen Meinungen, wo immer sie sind in der Welt“ auf: „Lasst uns alle Probleme, alle Differenzen beiseitelegen. Was jetzt am wichtigsten ist, ist unser Land und die Freiheit unseres Landes.“

Kleine Sensation und große deutsche Präsenz

Eine kleine Sensation gab es bei der Preisverleihung für die beste Darstellerin: Die 23-jährige Melliti, eigentlich Sportstudentin, wurde für ihr Schauspieldebüt in dem Film „Die jüngste Tochter“ ausgezeichnet. Der Film der französischen Filmemacherin Hafsia Herzi erzählt die Geschichte einer lesbischen und muslimischen Jugendlichen in einer Pariser Vorstadt.

Die deutsche Präsenz war in Cannes in diesem Jahr ungewöhnlich stark. Es ist das erste Mal seit 2017, dass wieder ein in Deutschland spielender Film unter deutscher Regie im Rennen um die Goldene Palme war. Zuletzt war dies Fatih Akin mit „Aus dem Nichts“ gelungen. 2023 stellte Wim Wenders den in Japan gedrehten Film „Perfect Days“ vor.