SPD sucht neue Perspektiven: Klingbeil vor erster Parteitagsdebatte nach Regierungsstart

SPD-Chef Klingbeil reist in die einstige „Herzkammer der Sozialdemokratie“. In der traditionellen „Malocherstadt“ Duisburg hat er vielleicht seine erste Feuerprobe im Amt als Vizekanzler zu bestehen.

SPD-Bundesparteichef Lars Klingbeil kann sich am Wochenende auf eine kritische Debatte mit der Parteibasis in Nordrhein-Westfalen einstellen. Der 47-Jährige wird in Duisburg erstmals nach dem Start der Bundesregierung vor einem Landesparteitag sprechen.

Er schätze die Stimmung an der Basis „nicht so euphorisch, aber sehr verantwortlich“ ein, sagte Landesparteichef Achim Post in Düsseldorf. Auf jeden Fall bestehe die Erwartung, dass die neue Bundesregierung „schnell liefert“. 

Klingbeil zwischen Kritik und Rückendeckung

Seine Co-Vorsitzende Sarah Philipp betonte, die Basis wolle mit Klingbeil diskutieren. Er habe aber auch „unsere volle Rückendeckung“. Klingbeil, der Vizekanzler und Bundesfinanzminister in der neuen Koalition von Union und SPD ist, werde die Partei die nächsten Jahre prägen und Verantwortung übernehmen. „Und da wollen wir uns gemeinsam mit ihm auf den Weg machen.“

Der Vorstand des mitgliederstärksten SPD-Landesverbands legt den fast 490 Delegierten einen Leitantrag mit einer sehr kritischen Fehleranalyse zum Absturz der SPD bei der Bundestagswahl vor. Das mit 16,4 Prozent historisch schlechteste SPD-Ergebnis sei ein „Tiefpunkt der deutschen Sozialdemokratie“, heißt es dort. Weil schon nach dem knappen SPD-Wahlsieg 2021 nicht die richtigen Schlüsse gezogen worden seien, sei dies „eine Niederlage mit Ankündigung“ gewesen.

Ritt zwischen Klarheit und Vertraulichkeit

Zu der schonungslosen Liste der Fehler und Versäumnisse zählt der Landesvorstand unter anderem die lange Diskussion über die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz. NRW habe allerdings als einer der wenigen Landesverbände damals sehr deutlich gemacht, dass es auch viel Zuspruch für Boris Pistorius als Kanzlerkandidat gegeben hätte, sagte Post. Dabei sei „ein Ritt zwischen Klarheit und Vertraulichkeit“ zu bewältigen gewesen.

Nach Klingbeils Rede werde es eine Aussprache geben, kündigte der Generalsekretär der NRW-SPD, Frederick Cordes, an. Bei der Diskussion über den Leitantrag, der auch Weichenstellungen für die Kommunalwahl im Herbst und die Landtagswahl 2027 vorschlägt, werde der Bundesparteichef aber aus zeitlichen Gründen nicht mehr anwesend sein können. Nach Angaben der Bundespartei wird Klingbeil am Sonntag bei einem Landesparteitag in Schleswig-Holstein sprechen.

Spitzen-Duo will weitermachen

In Duisburg stimmen die Delegierten auch über ihren Landesvorstand ab. Das Spitzentandem Sarah Philipp und Achim Post bewirbt sich um die Wiederwahl – bislang ohne Gegenkandidaten. Seit August 2023 hat die NRW-SPD mit der 42-jährigen Landtagsabgeordneten aus Duisburg und dem 66-jährigen Bundestagsparlamentarier aus dem Wahlkreis Minden-Lübbecke erstmals in ihrer Geschichte eine doppelte Landesparteiführung.

Spitzenkandidatur zur Landtagswahl zeitig festlegen

Cordes kündigte darüber hinaus an, dass die NRW-SPD spätestens in der ersten Jahreshälfte 2026 über die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2026 entscheiden werde. Gesucht wird ein Herausforderer für den amtierenden Ministerpräsidenten und CDU-Landeschef Hendrik Wüst. 

Philipp hält einen Umschwung trotz derzeit weiterhin schlechter Umfragewerte für ihre Partei für machbar. Die schwarz-grüne Regierung liefere viele Angriffspunkte: „Der Lack ist ab.“