Koalition und Parteispitze: Trotz Kritik: Rheinland-pfälzische SPD spürt Verantwortung

Für die SPD ist Rheinland-Pfalz seit mehr als 30 Jahren eine stabile Bank. Beim Mitgliederentscheid regt sich Kritik – elf Monate vor der Landtagswahl.

Jetzt kommt es auf die SPD-Mitglieder an. CSU und CDU haben schon Ja gesagt. Dass die Genossen den Koalitionsvertrag für die neue schwarz-rote Bundesregierung bis Dienstagabend auch annehmen, wird im starken Landesverband Rheinland-Pfalz nicht bezweifelt. 

Aber es grummelt rund elf Monate vor der Landtagswahl in der Partei, die seit mehr als 30 Jahren in Mainz die Regierung stellt und stolz auf ihre Geschlossenheit ist. Laute Kritik kommt von den Jusos. 

Jusos kritisieren Vertrag und Parteispitze 

Die Jusos haben keine Empfehlung für den Mitgliederentscheid gegeben. Die Landesvorsitzende Beatrice Wiesner rechnet mit einer Zustimmung von 60 oder 70 Prozent. „Aus demokratischer Verantwortung. Es gibt einfach keine Alternative.“ 

„Ich rechne mit einem deutlichen Pro“, sagt SPD-Generalsekretär Marc Ruland. „Die Stimmung ist von Verantwortungsbewusstsein geprägt.“ Viele Genossinnen und Genossen wollten jetzt mit dem Regieren loslegen, ist der Eindruck von Parteichefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler. 

Die Jusos sehen den Koalitionsvertrag inhaltlich kritisch. „Der Migrationsteil geht gar nicht“, nennt Wiesner als Beispiel. Andere Themen seien unverbindlich formuliert und der Finanzierungsvorbehalt ein großes Problem. An der Finanzierung sei schließlich auch die Ampel-Regierung gescheitert, mahnt die Juso-Landeschefin. „Alle sehnen sich nach einer Regierung, die regiert und sich nicht streitet“, sagt sie mit Blick auf die zerbrochene Ampel-Regierung im Bund. 

„Viele Mitglieder sehen, dass es gelungen ist, in den Koalitionsvertrag wichtige sozialdemokratisch Punkte rein zu verhandeln“, stellt hingegen Parteichefin Bätzing-Lichtenthäler fest. „Das war angesichts unseres Ergebnisses keine Selbstverständlichkeit.“

Bätzing-Lichtenthäler: Debatte über Parteivorsitz ist zu früh 

Kritik gibt es bei den Jusos aber auch an der Parteispitze. Für diese Debatte ist es nach Ansicht von Bätzing-Lichtenthäler und Ruland noch zu früh. Nach dem Mitgliedervotum und der Nominierung der Minister müsse erst einmal der Kanzler gewählt werden. 

„Der Parteitag klärt Ende Juni (27. bis 29.) in Berlin den Vorsitz“, betont Ruland. Es sei ja auch noch gar nicht klar, wer dann kandidieren wolle, ergänzt Bätzing-Lichtenthäler. „Ich finde, Saskia Esken und Lars Klingbeil haben für die Partei in einer nicht einfachen Phase viel Verantwortung übernommen und die Partei gemeinsam durch Herausforderungen geführt.“ 

„Den Parteivorsitz müssen beide abgeben“, fordert dagegen Wiesner. Auch das Ergebnis bei der Europawahl sei ja schon nicht besonders gut gewesen. Und wie sie die Debatte um den richtigen Kanzlerkandidaten – Olaf Scholz oder Boris Pistorius – hätten laufenlassen, sei schlicht und einfach „Führungsversagen“ gewesen. 

Ministerpräsident Alexander Schweitzer gehört zu denen, die sich für einen Verbleib Klingbeils an der Parteispitze ausgesprochen hatten. „In Partei und Regierung brauchen wir starke Persönlichkeiten, die Kraft und Kompetenz haben, um die großen Aufgaben zu lösen und zugleich Sympathie und Vertrauen der Bevölkerung gewinnen können“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es müsse immer daran gedacht werden „wie wir die Menschen überzeugen, die daheim am Küchentisch darüber diskutieren, wie Deutschland wieder besser werden kann und welche Rolle dabei die SPD spielt.“ 

 

Parteiinterner Umgang mit Frauen an der Spitze stößt auch auf Kritik 

Im Umgang mit Esken und nach der Erfahrung mit der ehemaligen SPD-Chefin Andrea Nahles meint Wiesner aber auch: „Gegen die Frauen an der Spitze wird geschossen, und die Männer bauen ihre Macht aus.“ 

Bei Nahles sei es aber – anders als bei Esken – primär um einen politischen Dissens gegangen, sagt Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Universität Trier. „Sie wurde von den Gegnern der seinerzeitigen GroKo scharf attackiert und aus dem Amt gemobbt.“ Esken dagegen werde weniger ihrer politischen Positionen wegen angegriffen. „Ihr Auftreten, vor allem ihr mediales Auftreten, sorgt hauptsächlich für Kritik.“

Jun: Einige stimmen mit Nein und meinen die Parteivorsitzenden 

„Einige SPD-Mitglieder stimmen mit Nein, weil sie die Parteivorsitzenden des Amtes entheben wollen, obwohl es eigentlich um den Koalitionsvertrag geht“, sagt der Wissenschaftler. „Die Zukunft von Lars Klingbeil, dem bekanntesten Vertreter des rechten Seeheimer Kreises, hängt am Koalitionsvertrag.“ 

Der Aufstieg Klingbeils trotz des schlechten Bundestagswahlergebnisses der SPD sei „machtstrategisch nachvollziehbar, aber der Verdruss in der SPD darüber, dass es keine personellen Konsequenzen gab, zu begreifen“. 

Für die SPD im Land hängt viel von Auftreten der Partei im Bund ab

Was bedeutet das für die Landtagswahl am 22. März 2026? Die Landespolitik werde ab Herbst 2025 wieder stärker in den Vordergrund rücken, mit Themen und mit Personal, sagt Jun. Ministerpräsident Alexander Schweitzer sei schon jetzt „recht stark präsent“. „Für die SPD hängt viel davon ab, wie die neue Koalition im Bund bewertet wird.“ 

Dies gelte auch für die CDU. Deren Spitzenkandidat Gordon Schnieder sei zwar noch wenig bekannt, werde jetzt aber überall als Bruder des designierten Verkehrsministers Patrick Schnieder (CDU) mit genannt. 

Ruland: Es kommt nicht auf die Zahl der Minister an

Dass die Union ihre designierten Minister und Ministerinnen eine Woche vor der SPD vorgestellt hat, kommt auch nicht bei allen Mitgliedern gut an. Aus Rücksicht auf den künftigen Koalitionspartner hätten CDU und CSU doch noch ein paar Tage warten können, findet mancher. 

Mit Spannung wird erwartet, wer aus der SPD in Rheinland-Pfalz in die Bundesregierung wechselt. Generalsekretär Ruland mahnt jedoch: „Der Einfluss der rheinland-pfälzischen SPD in der Bundesregierung misst sich nicht an der Zahl von Ministern oder Staatssekretären.“ Denn: „Wir haben einen starken Ministerpräsidenten, der auch deutlich seine Stimme erhebt.“