Durfte die Koalition für den Haushalt 2024 gleich drei Notkredite aufnehmen? Darüber muss nun das Verfassungsgericht befinden. Vor allem für den künftigen Etat wird das Urteil Antworten bringen.
Schleswig-Holsteins Finanzministerin Silke Schneider hofft, dass das Urteil des Landesverfassungsgerichtes zum Haushalt 2024 für den künftigen Umgang mit neuen Schulden wegweisend ist. „Es ist zu erwarten, dass das Urteil des Landesverfassungsgerichtes mehr Klarheit im Umgang mit Notkrediten und deren Tilgung schafft“, sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur.
Das Gericht will heute (12.00 Uhr) darüber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Landtag Notkredite nutzen darf, wie genau er die Tilgung planen muss und wo Grenzen liegen. Verhandelt wurde über eine Normenkontrollklage von SPD und FDP gegen den Haushalt 2024, der unter anderem mit gleich drei Notkrediten finanziert wurde. SPD und FDP sehen alle drei Notkredite als verfassungswidrig an.
„Sobald uns die Begründung der Entscheidung vorliegt, werden wir sie sorgfältig auswerten“, kündigte Schneider an. Aktuell gehe sie nicht von einer Rückwirkung für 2024 aus, da der Haushalt bereits abgeschlossen sei. „Soweit aus dem Urteil Folgerungen für 2025 zu ziehen sind, werden wir die notwendigen Schritte zügig einleiten“, sagte sie.
Zwar gebe es bereits vier Entscheidungen anderer Verfassungsgerichte zu Notkrediten, sagte der Präsident des Landesverfassungsgerichtes, Christoph Brüning im Februar. Diese seien für den Fall in Schleswig-Holstein aber bedeutungslos.
Praxis verfassungswidrig?
Der Verfahrensbevollmächtigte von SPD und FDP, Simon Kempny, betonte in der Verhandlung, die Möglichkeit von Notkrediten beschränke sich auf plötzliche, akute und unvorhergesehene Lagen. Auf dauerhafte, wenn auch missliche Lagen, müsse die Politik anders reagieren – selbst wenn sich diese zur „neuen Normallage“ entwickelten.
Für den Landtag verwies dessen Bevollmächtigter Florian Becker darauf, dass es Unterschiede bei der Schuldenbremse auf Bundes- und Landesebene gebe. „Wir verhandeln hier heute nicht mehr und nicht weniger als über die Handlungsfähigkeit des Staates in der Krise.“ Die Finanzmittel des Landes seien in viel stärkerem Maße festgelegt. „Das Land kann nicht bei einer Krise einfach mal Beamte entlassen.“
„Hier ist also deutlich weniger Flexibilität im Haushalt in einer Notlagensituation“, sagte Becker. Der Landtag habe in völlig vertretbarer Weise Notlagen angeführt. Diese müssten zusammen betrachtet werden. „Kein Geld der Welt kann eine Sturmflut verhindern oder beseitigen“, betonte er im Februar.
Schuldenberg
Finanzstaatssekretär Oliver Rabe betonte in der Verhandlung, dass Schleswig-Holsteins Haushaltslage im Vergleich zu anderen Bundesländern ohnehin angespannter sei. 2024 seien die Belastungen durch die drei Notlagen noch hinzugekommen. Dem Land sei es nicht möglich gewesen, die zusätzlichen Kosten aus dem normalen Haushalt zu bewältigen. Der Schuldenberg des Landes beläuft sich auf rund 32 Milliarden Euro.
Zwar ist das Haushaltsjahr 2024 längst vorbei, Schwarz-Grün arbeitet aber weiter mit einem Notkredit. Der Etat des laufenden Jahres enthält einen Notkredit in Höhe von 272 Millionen Euro – dieses Mal nur begründet mit den Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.
2024 hatten CDU und Grüne die Notkredite mit den Kriegsfolgen, der Corona-Pandemie und der Ostseesturmflut im Oktober 2023 begründet. Rechnungshof-Präsidentin Gaby Schäfer sagte, während das Land 2023 nur 84 Millionen Euro im Zusammenhang mit Corona begründet habe, seien es für 2024 plötzlich 573 Millionen Euro gewesen, obwohl die Pandemie 2024 weiter zurückgelegen habe.
Laut vorläufigem Haushaltsabschluss finanzierte Schleswig-Holstein 2024 effektiv 493,8 Millionen Euro über die Notkredite. Ursprünglich hatte der Landtag die Regierung sogar zur Aufnahme von Notkrediten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ermächtigt, diese Summe im Oktober per Nachtragshaushalt aber auf 1,2 Milliarden Euro reduziert.