Der frühere brasilianische Präsident Jair Bolsonaro wird wegen Putschvorwürfen vor Gericht gestellt. Der Oberste Gerichtshof das Landes befand am Mittwoch, dass ausreichend Beweise gegen den rechtsextremen Politiker für die Eröffnung eines Prozesses vorliegen. Bolsonaro soll versucht haben, den Amtsantritt seines linksgerichteten Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva nach dessen Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2022 zu verhindern.
Die Staatsanwaltschaft hatte am 19. Februar formell Anklage gegen Bolsonaro wegen Putschversuchs erhoben. Zu den fünf Anklagepunkten zählt auch die Bildung einer „bewaffneten kriminellen Organisation“, die einen Plan zur Ermordung von Lula, seines Stellvertreters und eines Richters am Obersten Gerichtshof, Alexandre de Moraes, ausgearbeitet haben soll.
Moraes ist ein erklärter Erzfeind Bolsonaros und einer der Richer in dem aktuellen Fall. Ein weiterer Anklagepunkt lautet auf „Versuch der gewaltsamen Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats“.
Ein fünfköpfiges Richtergremium des Obersten Gerichts sprach sich nun einstimmig dafür aus, die Anklage gegen Bolsonaro zuzulassen. Moraes war der erste Richter, der sich in der live im Fernsehen übertragenen Anhörung äußerte. Bei einer Verurteilung drohen dem 70-jährigen Bolsonaro mehr als 40 Jahre Haft.
Insgesamt wurden im Februar 34 Menschen, darunter mehrere ehemalige Minister und ranghohe Militärs, angeklagt, sich verschworen zu haben, um eine Rückkehr des derzeit amtierenden Präsidenten Lula zu verhindern. Laut Staatsanwaltschaft kam es nur deswegen nicht zum dem Putsch, weil in der Militärführung letztlich der notwendige Rückhalt fehlte.
Bolsonaro, der von 2019 bis 2022 Präsident Brasiliens war, wies am Dienstag in einer Erklärung alle Vorwürfe zurück. „Sie beschuldigen mich eines Verbrechens, das ich nicht begangen habe“, erklärte der rechtsextreme Politiker. Er sei Opfer „der größten politisch-juristischen Verfolgung in der Geschichte Brasiliens“.
Bolsonaro hofft – ähnlich, wie es dem ideologisch nahestehenden US-Präsidenten Donald Trump gelungen war – auf ein politisches Comeback und will 2026 bei der nächsten Präsidentschaftswahl in seinem Heimatland antreten. Das darf er aber nach jetzigem Stand gar nicht: Das brasilianische Wahlgericht schloss Bolsonaro 2023 bis 2030 von politischen Ämtern aus, da er ohne Beweise die Zuverlässigkeit des elektronischen Wahlsystems in Zweifel gezogen hatte.
Der linksgerichtete Lula hatte im Oktober 2022 die Präsidentschaftswahl gegen Bolsonaro gewonnen und am 1. Januar 2023 sein Amt angetreten. Eine Woche später wurde Brasilien von gewaltsamen Ausschreitungen erschüttert, als Bolsonaro-Anhänger den Kongress, den Amtssitz des Präsidenten sowie das Oberste Gericht stürmten und dort stundenlang schwere Verwüstungen anrichteten.
Bolsonaro ist bereits der zweite brasilianische Ex-Präsident binnen weniger als zehn Jahren, der sich in einem Strafverfahren verantworten muss. Im Juli 2017 wurde der damalige Ex-Präsident Lula wegen Korruption für schuldig befunden. Er verbrachte eineinhalb Jahre im Gefängnis – später wurde sein Urteil vom Obersten Gerichtshof aufgehoben.