Das soziale Netzwerk Reddit machte schon Gamestop wieder groß. Jetzt stürzen sich Anleger auf Rheinmetall, den deutschen Rüstungskonzern – mit teils skurrilem Vokabular
Wer das Wort „Rheiner“ liest, hat wohl zuerst einen Mann im Kopf. Einen bodenständigen Typen, vielleicht Mitte 50, mit leichtem Bauchansatz und einem Gesicht, das schon viele Sommerfeste und Stammtischrunden gesehen hat. Er trägt Karohemden oder Polo-Shirt, dazu eine praktische Weste mit vielen Taschen. Ein Klischee-Boomer eben.
In der Welt junger Anleger, die sich vor allem auf dem sozialen Netzwerk Reddit austauschen, hat Rheiner gleichwohl eine ganz andere Bedeutung: dort steht Rheiner, oder „Rheini“ für den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall. Beziehungsweise, genauer: die Aktie, die sich seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Wert verzehnfacht hat – und zum Spielball wilder Spekulationsgeschäfte geworden ist.
Rheinmetall = „Rheiner“
Klassisches Börsenvokabular wie „Kaufkurs“ oder „Abwärtspotenzial“ findet sich dort eher selten. In deutschsprachigen Reddit-Foren geht es kreativer zu. Dort wird Rheinmetall kurzerhand personifiziert – als „Rheiner“, der mal „guten Pump hat“, mal „eine Pause braucht“ oder eben „bald einen Arzttermin hat“.
Was auf Außenstehende wie Kauderwelsch wirkt, ist für die Community ein fester Bestandteil ihrer eigenen Börsensprache – eine Mischung aus Insiderwitzen, Meme-Kultur und der eigentümlichen Art, Aktienbewegungen mit Alltagsanalogien zu versehen. Doch was bedeuten die skurrilen Sätze der Rheinmetall-Jünger eigentlich?
Capital liefert Ihnen eine Übersetzungshilfe:
„Rheiner, bitte achte auf deinen Blutdruck“
…schrieb der Anleger „Octobluss“ kürzlich und hängte seinem Post einen Screenshot aus seinem Depot an. Der zeigte eine Rheinmetall-Position im Gesamtwert von rund 1530 Euro bei einem Plus von 1480 Euro – was einer Rendite von umgerechnet über 3000 Prozent entspricht. Heiß gelaufen, würden Börsenkenner dazu wohl sagen. Laut eigener Angabe hatte der Nutzer bereits im Januar ein sogenanntes Knock-Out-Zertifikat auf die Rheinmetall-Aktie erworben. Es handelt sich um ein hochriskantes Hebelprodukt, das die Rendite im Erfolgsfall vervielfacht.
„Rheiner hat bald Arzttermin“
…oder alternativ: „Morgen hat Baby Elternsprechtag“, wie ein Nutzer bei Reddit schrieb. Gemeint war die bevorstehende Bilanzpressekonferenz am Mittwoch vergangener Woche. Diskutiert wurde unter Rheinmetall-Anlegern in entsprechenden Beiträgen darüber, ob sich ein Einstieg entweder noch vor der Bilanzvorlage lohnt oder lieber auf eine anschließende Kurskorrektur („Dip“) spekuliert werden sollte. Wer erstere Option wählte, lag goldrichtig: Nach Bekanntgabe glänzender Geschäftszahlen legte die Aktie noch einmal deutlich zu.
„Kurze oder lange Hose bei Rheiner?“
Auch wenn die Kurskurve von Rheinmetall seit Monaten steil nach oben zeigt: nicht jeder Anleger scheint vom anhaltenden Aufwärtstrend der Aktie überzeugt. In den Reddit-Foren geht es daher häufig um die Frage, ob „Rheiner“ nicht besser eine „kurze Hose“ anziehen sollte – womit eine Wette auf fallende Kurse gemeint ist. Shorten nennt man das Prinzip im Börsensprech. Im Umkehrschluss kann „Rheiner“ genauso gut eine lange Hose tragen, wenn Anleger bei der Aktie auf Long gehen wollen.
„Rheiner müde, Rheiner schlafen“
Nach dem sagenhaften Kursverlauf sind Rheinmetall-Anleger erfolgsverwöhnt. Dennoch gibt es Tage, an denen sich die Rüstungsaktie wenig volatil zeigt. Bei so manchem Anleger sorgt das für Langeweile: „Rheiner müde, Rheiner schlafen“, betitelte ein Reddit-User kürzlich eine Diskussion zum Thema. Und weiter: „Unser lieber Rheiner ist völlig aus der Puste, aber noch gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass er bald sein hin- und hergerolle aufgibt und wieder mit Doppelwumms nach vorne geht.“