Was hat den Terrorakt in Solingen im Sommer 2024 begünstigt? Die Experten verweisen auf die Social-Media-Plattformen und die Situation junger Flüchtlinge.
Junge Flüchtlinge sind für islamistische Propaganda aus Social-Media-Kanälen besonders anfällig, warnen Experten. Wie schon der Extremismusforscher Ahmad Mansour haben auch die Sachverständigen Peter Neumann und Aladin El-Mafaalani vor der Online-Turbo-Radikalisierung durch Tiktok & Co. gewarnt. Durch die Algorithmen gerieten jüngere Menschen schnell in einen Strudel und bekämen bei Interesse etwa für den Gaza-Konflikt rasch nur noch Leichen gezeigt.
Islamisten nutzten dies für ihre Ansprache aus. Junge Flüchtlinge, die ohne Perspektive und Integration in den Unterkünften sitzen, gerieten leicht in eine persönliche Krise. „Sie haben keine Chance, sich zu integrieren. Das schafft Frust, der von Islamisten ausgenutzt wird“, sagte der in London lehrende Politikwissenschaftler Neumann im Untersuchungsausschuss des Landtags NRW zum islamistischen Anschlag in Solingen im vergangenen August.
In den Unterkünften säßen Kinder und Jugendliche, die bis zu drei Jahre keine Schule besuchen, sagte Aladin El-Mafaalani von der TU Dortmund. Stattdessen seien sie permanent online. „Die Online-Turbo-Radikalisierung spielt sich innerhalb von Wochen ab. Das macht es für die Sicherheitsbehörden noch schwieriger, dem auf die Spur zu kommen“, sagte Neumann.
Terror als Akt der Verteidigung
Was Terroristen zum Töten motiviere, sei der Glaube an eine existenzielle Bedrohung. Dies hätten Islamisten und Rechtsextremisten gemein: Die Terror-Attacke werde als Akt der Verteidigung dargestellt. Große Plattformen wie Tiktok reagierten nur auf politischen Druck. „Da müssen wir viel strenger sein und verlangen, dass problematischer Content binnen 24 Stunden entfernt wird“, so Neumann.
Am 23. August vergangenen Jahres soll der abgelehnte Asylbewerber Issa Al H. auf einem Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt haben. Er sitzt unter Mordverdacht in Untersuchungshaft. Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) hatte den Anschlag für sich reklamiert. Ein Bekenner-Video des Syrers wurde über einen IS-Kanal veröffentlicht.
Der Untersuchungsausschuss des Landtags NRW soll mögliche Versäumnisse und Fehler der Landesregierung untersuchen sowie auch strukturelle Defizite bei Abschiebungen und Rückführungen in andere EU-Länder unter die Lupe nehmen.