Die Stimmauszählung dauert noch an. Doch Trends zufolge zeichnet sich ab, dass die SPD Siegerin der Bürgerschaftswahl sein wird. Die befürchteten massiven Zuwächse bei der AfD blieben zunächst aus.
Trotz Stimmenverlusten können SPD und Grüne in Hamburg wohl zusammen weiterregieren. Ersten Trends von ARD und ZDF zufolge wurden die Sozialdemokraten um Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei der Bürgerschaftswahl klar stärkste Kraft. Dahinter liefern sich Grüne und CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz 2. Die SPD kann damit zwischen beiden als Koalitionspartner wählen.
Tschentscher hatte aber vor der Wahl bereits gesagt, dass er die schon seit 2015 laufende rot-grüne Koalition fortsetzen wolle. Gleichzeitig hatte er der CDU die Regierungsfähigkeit abgesprochen. Die AfD blieb überraschend hinter den Umfragewerten zurück.
Tschentscher: Werde als Erstes mit den Grünen sprechen
Tschentscher sagte, die SPD werde als Erstes mit den Grünen sprechen, aber sich auch mit der CDU unterhalten. Er sprach von einem großartigen Wahlkampf der SPD. „Wir wussten, dass es schwer wird, über die Hamburger Themen, über unsere Stadt zu sprechen, wenn ganz Deutschland in Aufregung ist.“
Doch trotz des schlechten Ergebnisses bei der Bundestagswahl, wo die SPD in der Hansestadt nur auf 22,7 Prozent kam, lägen die Sozialdemokraten nun bei der Bürgerschaftswahl mit Abstand vor den anderen Parteien. ARD und ZDF zufolge kann die SPD mit 33,5 bis 34,3 Prozent rechnen – nach 39,2 Prozent bei der Wahl 2020.
Zufrieden zeigte sich auch die Grünen-Spitzenkandidatin und Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank. Ihr sei nach der Verkündung der ersten Prognosen eine große Last von den Schultern gefallen, sagte sie. Fegebank bedankte sich bei den Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern ihrer Partei. „Ich bin einfach nur so dankbar, dass ich euch in diesen Wahlkampf führen durfte“, sagte sie. „Es war so brutal, gerade in den letzten zwei Wochen. Ihr habt gestanden, wir haben gestanden.“ ARD und ZDF sehen die Grünen zwischen 17,5 und 19,8 Prozent – nach 24,2 Prozent vor fünf Jahren.
CDU kann miserables Ergebnis von 2020 ausbügeln
Die CDU könnte bisherigen Zahlen zufolge ihr mit 11,2 Prozent historisch schlechtestes Ergebnis von 2020 wieder ausbügeln – sie kann mit 19,5 bis 20,0 Prozent rechnen. CDU-Spitzenkandidat Dennis Thering betonte die Bereitschaft seiner Partei zu einem rot-schwarzen Bündnis. „Wir stehen für eine stabile Regierung mit positiven Veränderungen vor allem in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Verkehr zur Verfügung.“ Eine Koalition aus SPD und CDU erleichtere und stärke Hamburgs Position im Bund, sagte der CDU-Politiker.
Die Linke kann ebenfalls zulegen, sie käme Trends zufolge auf etwa 11,5 Prozent – nach 9,1 Prozent vor fünf Jahren. „Wir sind mit so vielen Abgeordneten in der Bürgerschaft vertreten, das heißt, wir werden noch stärker nerven, wir werden noch stärker kämpfen“, sagte die Spitzenkandidatin Cansu Özdemir bei der Wahlparty ihrer Partei. Erstarkt geht auch die AfD aus der Wahl hervor – allerdings bekommt sich deutlich geringeren Zuspruch als in Umfragen vorhergesagt. Sie kann mit 7,2 bis 8,5 Prozent rechnen – nach 5,3 Prozent bei der Wahl 2020.
Tschentscher: Geringer AfD-Zuwachs großartige Botschaft
Tschentscher sagte, es sei eine großartige Botschaft, „dass uns die Schlechtgelaunten aus der rechten Ecke vom Hals gehalten wurden in Hamburg“. Das strahle hoffentlich auf ganz Deutschland aus. AfD-Spitzenkandidat Dirk Nockemann wertete das Ergebnis seiner Partei dagegen als Erfolg: „Wir sind überhaupt nicht frustriert.“ Dass die AfD in Hamburg wohl nur leicht dazu gewinnen dürfte, führte er auf Umstände wie „medialen Gegenwind“ zurück.
FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) scheiterten deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Abstimmung in der Hansestadt ist nach derzeitigem Stand die einzige Wahl auf Landesebene in diesem Jahr.
Rund 1,3 Millionen Hamburger waren wahlberechtigt
Rund 1,3 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger ab 16 Jahren waren wahlberechtigt. Das Landesparlament hat regulär 121 Sitze. Die Zahl kann durch Überhang- und Ausgleichsmandate sowie erfolgreiche Einzelbewerber steigen.
Landespolitische Themen bestimmten den Wahlkampf, insbesondere die Verkehrsprobleme in der Stadt und der Wohnungsbau angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum. Daneben spielten auch die Migration und die Ankurbelung der durch den Hafen geprägten Wirtschaft eine wichtige Rolle.
SPD-Regierungschef Tschentscher steht seit 2018 an der Spitze des Senats. Damals war der heute 59-Jährige noch relativ unbekannt in der Hansestadt und stand im Schatten seines Vorgängers, des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz, der damals ins Finanzministerium nach Berlin wechselte. Die Scholz-Jahre in Hamburg waren goldene Jahre für die Sozialdemokraten, von 2011 bis 2015 reichte es sogar für eine Alleinregierung.
Zwei Wahlen in Folge – was heißt das für die Wahlbeteiligung?
Erst am vergangenen Sonntag war die vorgezogene Bundestagswahl, nun mussten die Hamburgerinnen und Hamburger schon wieder wählen. Während am 23. Februar die Wahlbeteiligung bei 80,8 Prozent lag, zeigte sich auch bei der Bürgerschaftswahl auf Landesebene deutlich mehr Interesse. Jüngsten Daten zufolge lag die Beteiligung bei 67 Prozent – nach 63 Prozent bei der Wahl 2020.