Sarah Bossard: Bunt leben, Weidel lieben

Die Lebenspartnerin von AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel gibt sich im Internet weltoffen. Wer ist die Schweizerin – und wie steht sie zur Partei ihrer Frau?

Technopartys in Berlin, Austern zum Frühstück und ein Post mit dem Hashtag „zurichpride“: Sarah Bossard lässt auf Instagram mehr als 15.000 Menschen an ihrem Leben teilhaben. Sie ist die Partnerin von AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel. Die beiden Frauen leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, wie Weidel kürzlich sagte. Außerdem haben sie zwei Kinder. 

Wie das mit dem Wahlprogramm der AfD zusammenpasse, fragen am Montag in der ARD-Sendung „Wahlarena“ gleich mehrere Bürgerinnen und Bürger. Denn im Programm der AfD heißt es: „Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, ist die Keimzelle der Gesellschaft.“ Von gleichgeschlechtlicher Ehe oder einer Familie, wie der von Sarah Bossard und Alice Weidel, ist in dem Programm keine Rede. Stattdessen spricht sich die AfD gegen eine Ausweitung des Familienbegriffs im Grundgesetz auf „andere Gemeinschaften“ aus. Der stern wollte von Sarah Bossard wissen, wie sie zu diesen Themen steht. Eine Anfrage dazu ließ sie unbeantwortet.

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Die sexuelle Orientierung allein sagt wenig über die politische Ausrichtung. Wer lesbisch ist, muss nicht links sein. Privates und Politisches müssen nicht übereinstimmen. Das gilt auch für die Frau einer Kanzlerkandidatin. Doch bei Weidel und Bossard fallen ihre öffentlichen Äußerungen so sehr auseinander, dass man sich fragen muss, ob sie nicht nur in getrennten Welten leben, sondern in zwei politischen Galaxien, die außerhalb ihrer Beziehung mit zerstörerischer Geschwindigkeit aufeinander zurasen?

2021 bezeichnete Bossard gegenüber dem Schweizer „Tagesanzeiger“ eine Kampagne in der Schweiz gegen die Ehe für alle als „geschmacklos“. In dem Interview sagte sie, sie hoffe, dass die Diskussion um die Ehe für alle beendet werde. 

Für die Partei ihrer Frau in Deutschland ist das Thema allerdings nicht erledigt. Im Gegenteil. Die AfD will die Ehe für alle wieder abschaffen. Der entsprechende Antrag sei trotz seines Scheiterns im Bundestag nach wie vor Beschlusslage seiner Fraktion, sagte Bundesvize Stephan Brandner zuletzt im ZDF

Neben Alice Weidel in der ersten Reihe

Wie die Familienpolitik stehen auch der harte Migrationskurs der Partei und die Forderung nach „Remigration“, also der massenhaften Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund, im Widerspruch zur Lebensgeschichte von Sarah Bossard. Denn sie wurde 1982 in Sri Lanka geboren. Im Alter von drei Monaten wurde sie adoptiert und wuchs im schweizerischen Appenzell auf. 

Seit dem Besuch einer Filmschule in Los Angeles arbeitet Bossard als Produzentin. 2019 gründete sie ihre eigene Firma. Seit einigen Jahren lebt sie mit ihren Kindern und Weidel in Einsiedeln südlich des Zürichsees in der Schweiz, weit weg vom politischen Geschehen in Deutschland. 

Öffentliche Auftritte von Sarah Bossard abseits von Instagram sind selten. Zuletzt war sie beim AfD-Wahlkampfauftakt in Halle (Saale) im Januar neben Weidel zu sehen. Dort saß Bossard in der ersten Reihe, während ihre Frau auf der Bühne erneut die Schließung der Grenzen forderte, Massenabschiebungen versprach und dabei den rechtsextrem konnotierten Begriff Remigration verwandte.

 

Techno feiern und mit Weidel tanzen

Sarah Bossards Selbstdarstellung für die Öffentlichkeit steht dazu im diametralen Gegensatz. Die 42-Jährige zeigt sich betont weltoffen. Im Jahr 2023 teilte sie Fotos von der sogenannten Street Parade in Zürich, einem internationalen Techno-Festival, das laut Veranstalter Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammenbringen will. 

Alle paar Wochen postet Bossard Fotos aus ihrem Leben. Selfies, Ausflüge, Partys. Der Beitrag mit den meisten Likes: ein Video mit Alice Weidel. Beide tragen darin Sonnenbrillen und bewegen sich ausgelassen im Auto zu einem Popsong.

Oft ist auch das Handy von Bossard zu sehen – und einmal auch das, was auf der Rückseite klebt: ein Sticker in Regenbogenfarben, ein Zeichen der queeren Community. Es ist das Zeichen, das, wenn es nach dem Willen vieler in der AfD geht, nicht mehr an öffentlichen Plätzen und Gebäuden gehisst werden soll. 

Weidel selbst sagte im Sommerinterview 2023 in der ARD: „Dass unter dem Motto der Regenbogenflagge hier jetzt so eine Trans-Popkultur einer Minderheit gefördert wird, und die Menschen sich einfach nur noch fragen, wie schützen wir eigentlich unsere eigenen Kinder in den Schulen und Kitas davor.“

Als Partnerin einer Spitzenpolitikerin steht man in der Öffentlichkeit. Das gilt für Sarah Bossard, das gilt für die Frau von Friedrich Merz, für Olaf Scholz‘ Gattin Britta Ernst, für die Frau von Robert Habeck und spätestens mit Weidels Kanzlerkandidatur auch für Sarah Bossard. Britta Ernst und Charlotte Merz geben häufiger Interviews, gelten als wichtige Beraterinnen ihrer Ehemänner. 

Wie ist es bei Bossard? Wie geht sie mit der teils homophoben Stimmung in der Partei ihrer Frau um? Wie beeinflusst ihre Beziehung die AfD-Kanzlerkandidatin? Klar ist bisher nur so viel: Das Bild, das Bossard im Internet von sich zeichnet, passt kaum mit der politischen Mission Weidels zusammen.

Als Alice Weidel am Montag in der ARD-Wahlarena auf ihre Beziehung mit Sarah Bossard angesprochen wird, antwortet sie zunächst ausweichend. Dann sagt sie, das AfD-Leitbild der Familie sei „Vater, Mutter, Kind“ – auch sie vertrete dieses Leitbild. „Gleichzeitig ist es aber so, dass Lebenspartnerschaften von Homosexuellen – von Frau und Frau, Mann und Mann – gleichgestellt sein sollten, ohne das Institut der Ehe von Mann und Frau zu berühren …“ 

Die Frau, die mit einer Frau zusammenlebt, kann auch nichts anderes sagen. Denn dass eine deutsche Familie aus „Vater, Mutter und Kindern“ bestehen soll, dieser Grundsatz wurde im Januar auf dem Bundesparteitag eigens noch einmal ins Wahlprogramm geschrieben.