Mit Spandau Ballet wurde Gary Kemp berühmt, heute schätzen auch Pink-Floyd-Fans den Gitarristen. Jetzt hat er ein neues Soloalbum aufgenommen. Im dpa-Interview äußert er die Hoffnung auf eine Reunion.
Gary Kemp ist ein Phänomen. Bekannt wurde er in den 80er Jahren als Gitarrist und Songwriter von Spandau Ballet. Als Schauspieler stand er unter anderem mit Kevin Costner und Whitney Houston für „Bodyguard“ vor der Kamera. Seit einigen Jahren begeistert er als Mitglied von Nick Mason’s Saucerful of Secrets mit Musik aus der Frühphase von Pink Floyd die Rockfans. Nebenbei macht er einen Podcast. Nun veröffentlicht Kemp noch ein sehr persönliches Soloalbum.
„This Destination“ heißt die Platte, die der 65-Jährige auch für sich selbst gemacht hat. „Das Schreiben dieses Albums ist für mich eine Art persönliche Therapie – wie eigentlich jede Musik, die ich jetzt mache“, sagte Kemp der Deutschen Presse-Agentur in London. „Ich bin nicht der Typ, der sich mit anderen Songwritern zusammensetzen und sagen kann: „Komm, wir schreiben mal was für jemand anderen.“ Das wäre für mich einfach zu kalkuliert.“
„Die Leute wissen nicht mehr, wer ich überhaupt bin“
In gewisser Weise vereint der erste Albumtrack Elemente von Spandau Ballet und Pink Floyd, denn er beginnt mit sanftem Saxofon und gipfelt in einem atmosphärischen Gitarrensolo. „Borrowed Town“ dreht sich um Kemps Heimat London, eine Stadt im ständigen Wandel, deren Bevölkerung sich ständig verändert – eine „geliehene Stadt“.
„Ich habe den Text dafür in der U-Bahn geschrieben“, erzählt der Musiker, aus dessen Feder unsterbliche Welthits wie „True“ und „Gold“ stammen. „Es gibt (in London) immer jemanden, der König der Straße ist. Und eine Zeit lang waren das meine Kumpels und ich. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt wissen die Leute nicht mal mehr, wer zum Teufel ich überhaupt bin.“
Ein Album mit Soul, Rock und viel Atmosphäre
Um London – genauer gesagt um die aufkommende New-Wave- und New-Romantic-Szene in der britischen Hauptstadt in den späten 70ern – geht es in „Windswept Street (1978)“. Für Kemp war es eine besondere Zeit. „Man konnte die Veränderungen und den Staffelstabwechsel in der Popkultur und Jugendkultur direkt miterleben.“ Einen Plan B hatte er nicht.
Er spielt auf dem neuen Album mit verschiedenen Genres – da gibt es Northern Soul („This Destination“), klassischen Rock („Johnny’s Coming Home“) oder auch mal eine sanfte, aufmunternde Ballade („Put Your Head Up“). „Work“, mit dem der Musiker, der in einfachen Verhältnissen aufwuchs, an seine hart arbeitenden Eltern erinnert, oder „I Know Where I Am Going“ sind fast cineastisch – oder wie ein Stück aus einem Musical. Alles zusammen ergibt eine kurzweilige und sehr hörenswerte Mischung mit viel Atmosphäre.
Zwei Spandau-Ballet-Klassiker und eine Hoffnung
Dass Kemp eine gute Stimme hat, ist seit den 80er Jahren bekannt. Schließlich sang der Gitarrist – und Pianist – bei Spandau Ballet immer im Hintergrund und bei „True“ das berühmte „Ha haha ha haaaa“ im Refrain. Die Songs „True“ und „Through The Barricades“ gibt es auf „This Destination“ in neuen akustischen Versionen als Bonustracks – natürlich mit seiner Stimme. „Ich wollte, dass die Leute hören, wie es klang, als ich 1983 oder 1985 oder so in meinem Schlafzimmer saß und diese Songs geschrieben habe.“
Die Tür für eine erneute Reunion von Spandau Ballet ist laut Kemp übrigens nicht zu. „Nein. Die habe ich nie zugeschlagen“, betont der Musiker und Bruder von Spandau-Ballet-Bassist Martin Kemp. „Ich würde das gerne machen, weil ich diese Musik wieder vor einem Publikum spielen möchte, das mit ihr aufgewachsen ist.“
Bis es eines Tages vielleicht dazu kommt, darf man darauf hoffen, dass Gary Kemp mit seinen neuen Songs – und ein paar alten – auf Solotournee geht. Denn „This Destination“ ist ein großartiges Album eines begnadeten Songwriters.