Nach Sperrung: Trump hat Tiktok in den USA gerettet, jetzt möchte er dazugehören

Nur kurz war die Tiktok-App in den USA abgeschaltet. Jetzt schlägt Donald Trump ein Joint Venture vor, um die Plattform am Laufen zu halten. Es gibt mehrere potentielle Käufer.

„Wir sind zurück“, sagt ein Tiktok-Nutzer am Sonntag in einem Video, „aber zu welchem Preis?“ Eine Frage, die sich nicht nur die Nutzerinnen und Nutzer der Social Media Plattform stellen, sondern die auch Unternehmen in den USA beschäftigen dürfte. Denn seit US-Präsident Donald Trump vorschlägt, aus Tiktok ein Joint Venture aus einer amerikanischen Firma und der chinesischen Mutterfirma Bytedance zu machen, ist der Bieter-Poker eröffnet.

„Ich möchte, dass die Vereinigten Staaten eine 50-prozentige Beteiligung an einem Joint Venture halten“, schrieb Trump auf der Plattform „Truth Social“ am Sonntagabend. „Auf diese Weise retten wir Tiktok, halten es in guten Händen und ermöglichen ihm, sich zu behaupten. Ohne die Zustimmung der USA gibt es kein Tiktok. Mit unserer Zustimmung ist es Hunderte von Milliarden Dollar wert – vielleicht Billionen.“ Offizielle Verhandlungen oder konkrete Gespräche gibt es bisher keine. Trotzdem wurden schon in den vergangenen Monaten immer wieder prominente Namen ins Spiel gebracht.

Wer kommt als Käufer für Tiktok infrage?

Da ist zunächst einmal Elon Musk. Noch vor dem Ablauf der Frist berichtete die Nachrichtenseite „Bloomberg“ unter Berufung auf Insider, dass China einen Verkauf an den Tesla-CEO und Trump-Vertrauten erwägt. Musk werden gute Verbindungen zur chinesischen Regierung nachgesagt, Tesla betreibt im Land auch eine Fabrik. Ein Vertreter von Bytedance nannte den Bericht allerdings „pure Fiktion“ und auch nicht alle Nutzerinnen und Nutzer würden sich über einen Tiktok-Chef Elon Musk freuen. Einige befürchten, dass auf Tiktok ein ähnlicher Stimmungsumschwung wie auf X stattfinden könnte. Auf dem Kurznachrichtendienst hatten nach Musks Übernahme Falschnachrichten und rechtsextreme Accounts zugenommen.

Der Tiktok-Bann ist ein GEschenk an Donald Trump – und er wird es nutzen. 15.00

Der Milliardär und Tech-Kritiker Frank McCourt hingegen will Tiktok in das Gegenteil verwandeln. McCourt gründete vor vier Jahren die gemeinnützige Initiative Project Liberty und stellte 100 Mio. Dollar für die Entwicklung gemeinnütziger Technologien bereit. „Tiktok präsentiert das Beste und das Schlimmste des Internets. Es verbindet 170 Millionen Menschen und ermöglicht es ihnen, kreativ zu sein, Dinge zu erschaffen und zu genießen“, sagte McCourt dem Medium „Semafor“ im vergangenen Mai. „Auf der anderen Seite haben sie keinen wirklichen Anteil an der Wertschöpfung, und ihre Daten werden abgegriffen, gestohlen und nach China verschifft.“ Angeblich habe er bereits erste Gespräche mit der künftigen Trump-Regierung geführt und plane, Tiktok in eine Open-Source-Anwendung zu überführen.

Tesla-CEO Elon Musk gilt als möglicher Tiktok-Käufer
© ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon

Übernimmt die EU Tiktok – oder macht es Meta?

Eine ungewöhnliche Idee hat der Grünen-Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky: Er schlägt vor, die EU oder ein europäisches Firmenkonsortium solle Tiktok kaufen. So könne sich Europa neben China und den USA etablieren und sicherstellen, dass die Plattform mit den Datenschutzregeln der EU übereinstimmt. „Es ist eine Frage unserer Sicherheit und unserer Demokratie“, sagte Lagodinsky Capital. „Trump und Musk werden unsere Regulierungen angreifen, da müssen wir gegenhalten – und das geht nur mit Marktanteil.“ Die EU-Kommission wollte den Vorschlag auf Anfrage nicht kommentieren

Auf Social Media spekulieren Nutzer außerdem über Facebook-Mutterkonzern Meta. Der Konzern hätte einerseits die Möglichkeit, einen neuen technischen Unterbau für die Plattform aufzusetzen und könnte wohl auch den Preis stemmen, der laut „Bloomberg“ bei 40 bis 50 Mrd. Dollar liegt. Aus Wettbewerbsgründen gilt das aber als unwahrscheinlich.

Warum soll Tiktok überhaupt verkauft werden?

Im vergangenen Jahr hatte der US-Kongress in seltener Einigkeit ein Gesetz beschlossen, wonach Bytedance Tiktok entweder verkaufen müsse, oder die Plattform in den USA würde vom 19. Januar an gesperrt. Hintergrund waren Spionagevorwürfe gegen Bytedance, an dem auch die chinesische Regierung Anteile hält. Weil die aber nicht verkaufen wollte und am Freitag auch der Supreme Court eine Klage von Tiktok gegen das Gesetz abwies, schien alles auf die Sperrung hinauszulaufen.

Und tatsächlich wachten die rund 170 Millionen US-Nutzerinnen und Nutzer am Sonntag auf und konnten nicht mehr auf Tiktok zugreifen – allerdings nur für ein paar Stunden. Denn Donald Trump schaltete sich ein und kündigte ein Dekret an, sodass Tiktok Aufschub gewähren soll. Tiktok schaltete daraufhin die Zugänge wieder frei – kombiniert mit einem Lob für den US-Präsidenten.

Wie geht es jetzt weiter?

Vieles ist noch unsicher – darunter, ob Präsident Trump tatsächlich Aufschub gewährleisten kann. Zwar sind im Gesetz grundsätzlich 90 zusätzliche Tage vorgesehen, aber nur, wenn es konkrete Verkaufsgespräche gibt. Innerhalb der republikanischen Partei gibt es bereits Widerstand. „Jetzt, da das Gesetz in Kraft getreten ist, gibt es keine rechtliche Grundlage für eine ,Verlängerung‘ der Frist“, schrieben die Senatoren Tom Cotton und Pete Ricketts in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Und auch die chinesische Regierung reagierte auf den Vorstoß zurückhaltend: Die Firmen sollten solche Entscheidungen „unabhängig treffen“.

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