Archäologie: Präziser als heute: Laser offenbaren uralte Kunst des Tätowierens

Vor 1200 Jahren arbeiteten an der südamerikanischen Küste wahre Tattoo-Künstler. Sie zeichneten Linien, die feiner waren als die mancher heutiger Tätowierer.

Sie benutzten Kaktusnadeln oder scharf geschliffene Tierknochen. Diese tunkten sie in eine Tinte aus Ruß oder Holzkohle. Dann stachen sie Punkt für Punkt in die Haut ihres Freundes, ihrer Nachbarin oder ihres Kunden. Mit höchster Präzision arbeiteten die Tätowierer vor 1200 Jahren in Südamerika. Die feinen Linien, die sie bei ihrer Arbeit zogen, waren 0,1 bis 0,2 Millimeter breit – viel dünner als bei den meisten modernen Tätowier-methoden. 

Die Arbeit und die Kunst der alten Tattoo-Meister deckte nun ein internationales Forscherteam auf und veröffentlichte seine Studie in der Zeitschrift „Proceedings oft he National Academy of Sciences“ (PNAS). 

Die Haut leuchtet, das Tattoo bleibt schwarz

Die Wissenschaftler untersuchten mit einer neuen Lasertechnik 100 Mumien der südamerikanischen Chancay-Kultur. Bei vier mumifizierten Körpern wurden Tattoos sichtbar: geometrische Muster wie Dreiecke und Rauten, aber auch Tiere.

Die Chancay waren für ihre Kunst bekannt. Sie lebten an der Küste des heutigen Peru (Abb. rechts) und handelten mit Keramikfiguren (links) und Stoffen (Mitte)
© Michael Pittman et al, PNAS

Normalerweise werden Laser dazu benutzt, unerwünschte Tätowierungen wieder zu entfernen. Die uralten verblichenen Zeichnungen auf der mumifizierten Haut der Chancay machten Laser allerdings wieder sichtbar. 

Die Technik dahinter heißt: laserstimulierte Fluoreszenz (LSF). Sie wurde ursprünglich zur Untersuchung von Dinosaurierfossilien entwickelt und nun erstmals bei alten Tätowierungen eingesetzt. 

Bei der LSF scannt ein Laserlicht in einem dunklen Raum die mumifizierten menschlichen Überreste. Die Haut leuchtet im Dunkeln, die Tätowierung hingegen hebt sich im Kontrast stark ab. Da der Laser auch in die tieferen Hautschichten vordringt, macht er das ursprüngliche Tattoo sichtbar, denn Alterung und Mumifizierung haben die Tinte verblasst und verwischt. 

Ihr Staat ging unter, als die Inka kamen

Die Forscher waren überrascht vom Können der Chancay-Künstler, das sich ihnen im Labor offenbarte. „Der Detailreichtum und die Präzision waren höher als bei bekannten Töpferwaren, Textilien oder Felsmalereien“, heißt es in der Studie. Die Chancay gaben sich bei den Tätowierungen offenbar besondere Mühe. 

Bekannt war bislang, dass die Chancay von etwa 900 bis 1500 n. Chr. in den Tälern an der Küste des heutigen Perus lebten. Sie produzierten Güter in Massen und handelten mit ihren Nachbarn. Bekannt waren sie vor allem für ihre Stoffe, die mit komplizierten Mustern bestickt und bemalt waren. Die Chancay wurden vermutlich Teil des Inkareichs, als dieses expandierte. 

Verglichen mit der Betrachtung unter Weißlicht (links) zeigt sich unter dem Laserlicht (rechts), wie fein die antiken Tätowierer arbeiteten
© Kaye et al., PNAS (2025)

Tätowierungen haben Wissenschaftler schon auf einigen archäologischen Funden entdeckt. Wohl seit 5000 Jahren sind die Zeichnungen auf der Haut Teil der menschlichen Kultur. Die ältesten bekannten Tätowierungen fand man auf den Überresten eines Mannes aus der Jungsteinzeit, der um 3000 v. Chr. in den italienischen Alpen gelebt hat. Viele altägyptische Mumien sind ebenfalls tätowiert. 

Im Lauf der Zeit hatten Tattoos viele Funktionen: Sie waren Kennzeichen für individuelle Identität, besondere Lebensereignisse oder sozialen Status, sie sollten Krankheiten abwehren oder Beziehungen zu Geistern und Göttern stärken. 

Tattoos als Statussymbole oder spirituelle Zeichen

Auch bei den Chancay dürften die Tätowierungen nur bestimmten Menschen vorbehalten gewesen sein, schließlich fanden die Wissenschaftler die Kunstwerke nur an wenigen der 100 untersuchten Mumien. Da sie so kunstvoll gestaltet sind, könnte es sich um Statussymbole oder spirituelle Embleme gehandelt haben.

Forscher planen nun, die LSF-Technik bei weiteren prähistorischen Mumien einzusetzen und somit mehr darüber zu erfahren, wie und warum die alten Tattoo-Meister ihrer Kunst nachgingen. 

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