Jérôme Boateng plant eine Trainerlaufbahn und will bei Bayern München hospitieren. Coach Kompany ist offen dafür, doch Boatengs Vergangenheit könnte zum Problem werden.
Der Übergang in die Zeit nach der Spielerkarriere ist für einen Fußballprofi kein leichter Schritt. Lange drehte sich das ganze Leben darum, auf dem Platz zu stehen, und plötzlich sieht der Alltag ganz anders aus. Manche fallen anschließend in ein Loch, andere starten als Trainer, TV-Experte oder Unternehmer durch.
Jérôme Boateng will offenbar zur zweiten Sorte gehören. Der Weltmeister von 2014 beendete vor vier Wochen seine aktive Laufbahn als Profifußballer und strebt nun eine Trainerkarriere an. Dafür plant er unter anderem eine Hospitanz beim FC Bayern.
Ein verdienter Spieler, der zehn Jahre für den Klub spielte und mit den Münchnern viele Titel holte, will ein Praktikum beim Verein absolvieren. Dagegen spricht eigentlich nichts – wäre da nicht Boatengs Privatleben. Denn abseits des Platzes sorgte er in Vergangenheit vor allem mit Vorwürfen der Körperverletzung und Gewalt gegen Frauen für Schlagzeilen.
Jérôme Boateng vor Gericht
Boateng musste sich mehrfach vor Gericht verantworten. Im Sommer 2024 verwarnte das Landgericht München I ihn schließlich wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Demnach schlug Boateng seine Ex-Partnerin Sherin S. bei einem Streit im Karibikurlaub 2018 heftig ins Gesicht, sie trug ein Hämatom am Auge davon. Die Richterin sprach von einer toxischen Beziehung und verwies darauf, dass Boateng bei dem Streit an der Lippe verletzt worden sei.
Eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 5000 Euro verhängte das Gericht lediglich unter Vorbehalt. Die 200.000 Euro muss Boateng nur zahlen, wenn er noch einmal straffällig werden sollte.
Auch der Fall von Boatengs Ex-Freundin Kasia Lenhardt sorgte für Aufsehen. Lenhardt beging im Februar 2021 Suizid. Die Staatsanwaltschaft München I nahm nach ihrem Tod Ermittlungen gegen Boateng auf, das Verfahren wurde jedoch im März dieses Jahres eingestellt.
Projekt Imagepflege
Sein Image versucht der mittlerweile 37 Jahre alte Boateng jetzt aufzupolieren. Am 21. November erscheint eine ARD-Dokumentation mit dem Titel „Being Jérôme Boateng“. Sie soll den rasanten Aufstieg des Fußballstars und die Tragödien um ihn behandeln. Boateng wird sich darin zudem erstmals selbst ausführlich zu den Vorwürfen äußern, heißt es in der Ankündigung.
Der „Sport Bild“ gab er kürzlich ein Interview, das mit dem Titel „Das neue Leben von Jérôme Boateng“ erschien. Er präsentierte sich als liebevoller Familienvater, berichtete, dass er Mitbegründer eines Unternehmens für Regenerationsprodukte mit Hauptsitz in Bielefeld ist, und sprach über seine Pläne für die Trainerlaufbahn.
Den Lehrgang und die Prüfung zur B-Lizenz habe er bereits absolviert, sagte Boateng. „Bis Januar möchte ich jetzt einige Hospitanzen absolvieren.“ Unter anderem beim Ex-Klub Bayern München.
Boateng kündigt Hospitanz in München an
In München würde er von seinem ehemaligen Mitspieler Vincent Kompany lernen. „Ich habe schon mit ihm gesprochen. Ich kann bei Bayern hospitieren und darauf freue ich mich sehr. Wir müssen nur noch den richtigen Zeitpunkt finden“, sagte Boateng.
Von 2010 bis 2011 spielten Vincent Kompany (2.v.l.) und Jérôme Boateng (r.) gemeinsam für Manchester City. Zuvor waren sie beim HSV Teamkollegen
© Fotosports / robin Parker
Kompany bezeichnete Boateng jüngst sogar als „guten Freund“ und sagte: „Ich bin extrem stolz auf ihn und glücklich darüber, was er alles erreicht hat.“
Zu einer möglichen Hospitanz von Boateng in München äußerte der FC Bayern sich bislang nicht öffentlich. Ein Sprecher des Klubs sagte jedoch der „Bild“: „Jerome hat den Trainer gefragt, ob er an ein paar Tagen die Trainingseinheiten bei uns beobachten kann. Das ist keine Anstellung. Wenn der Trainer ihm das in Aussicht stellt und es terminlich passt, haben wir nichts dagegen.“
Kritik von Fans
Dass der ehemalige Bayern-Star nach wie vor einen guten Kontakt nach München pflegt, ist kein Geheimnis. Beim Heimspiel gegen Werder Bremen am 26. September war Boateng zu Gast im Stadion und machte munter Selfies mit Fans.
Lächeln bitte! Jérôme Boateng kommt bei einigen Bayern-Fans noch immer gut an
© Sven Simon / Frank Hörmann
Viele Bayern-Anhänger sehen die Person Boateng jedoch kritisch. In sozialen Medien teilen User aus Protest regelmäßig Bilder von Ex-Partnerin Kasia Lenhardt. Einige forderten nach den Berichten über das Praktikum beim FC Bayern eine Reaktion der Ultraszene. Alle Augen dürften daher beim Topspiel gegen Borussia Dortmund am Samstagabend auf die Südtribüne gerichtet sein.
Rückholaktion vor zwei Jahren abgeblasen
Die Fanszene hatte bereits mit Bannern protestiert, als im Jahr 2023 eine mögliche Rückkehr des damals vereinslosen Spielers Boateng im Raum stand. Der FC Bayern kämpfte zu diesem Zeitpunkt mit Engpässen in der Innenverteidigung.
Boateng trainierte mit der Mannschaft, einen neuen Vertrag erhielt er nicht. Der Klub gab ihm zwar Rückendeckung und verwies auf die Unschuldsvermutung, nach Kritik von Fans und Medien ruderte man aber schließlich zurück.
Risiko für den FC Bayern
Zwei Jahre später läuft der FC Bayern erneut Gefahr, seine propagierten Werte über den Haufen zu werfen und sich selbst unglaubwürdig zu machen. Am 25. November 2024 noch ließ man die Allianz-Arena zum Tag der Gewalt gegen Frauen in Orange aufleuchten – die Symbolfarbe gegen häusliche Gewalt.
Nun könnte in Jérôme Boateng ein Mann an die Säbener Straße zurückkehren, der im Widerspruch zu all dem steht. Der stern bat am Freitagmorgen um eine Stellungnahme dazu, der Klub ließ die Anfrage unbeantwortet. Es wird wohl auch maßgeblich vom FC Bayern abhängen, wie Boatengs Karriere nach der Karriere verläuft.