Landgericht Wiesbaden: Awo-Affäre: Geldstrafe für Wiesbadens Ex-Sozialdezernenten

Rund zweieinhalb Jahre nach der Zulassung der Anklage steht Christoph Manjura in Wiesbaden vor Gericht. Die Zuschauer erleben eine Überraschung.

In der Affäre um die Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Rhein-Main-Gebiet ist Wiesbadens Ex-Sozialdezernent Christoph Manjura vor dem Landgericht Wiesbaden zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilt worden. Manjura hatte zuvor gestanden, von 2015 bis 2017 von der Awo Wiesbaden für Arbeit bezahlt worden zu sein, die er in Wahrheit nicht geleistet hat. Fast 60.000 Euro hat Manjura demnach netto für zwei Scheinarbeitsverhältnisse bekommen. Gegen das Urteil kann noch Revision eingelegt werden.

Der Schuldspruch fiel damit überraschend bereits am ersten Tag des Prozesses, für den ursprünglich fünf weitere Termine angesetzt gewesen waren. Der Prozessauftakt nahm an Fahrt auf, als Manjura vor dem Gericht sein Geständnis ablegte. Sein Anwalt legte außerdem einen Überweisungsbeleg vor: Demnach hatte der 43-jährige Angeklagte erst am Vortag 25.000 Euro an die Awo überwiesen – als Rückzahlung seines Gehalts. Für die Vertreter der Anklage war das „ein guter Anfang und ein Zeichen, dass man sich bemüht, den Schaden wiedergutzumachen“.

Knapp an der Vorbestrafung vorbei

Dem Urteil lag eine Verständigung zwischen Anklage und Verteidigung zugrunde: Die Parteien hatten sich auf einen Strafrahmen geeinigt – unter der Voraussetzung, dass Manjura ein von Reue getragenes und umfassendes Geständnis ablegt. Für das Gericht war das gegeben. „Das war authentisch“, sagte der Vorsitzende Richter. Berücksichtigt wurden zudem unter anderem die lange Dauer des Verfahrens und die schweren persönlichen Konsequenzen, die der Angeklagte bereits zu tragen hatte. Sein niedriges Haushaltseinkommen war maßgeblich für die Höhe der Tagessätze.

Mit der Strafe von 90 Tagessätzen zu je 20 Euro bleibt Manjura knapp unter der Grenze an Sätzen, ab der er als vorbestraft gelten würde. Außerdem werden die rund 34.000 Euro eingezogen, die nun noch von dem Gehalt übrig sind. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 25 Euro gefordert. Die Verteidigung sprach sich hingegen für 90 Tagessätze à 10 Euro aus. 

Ein Mann, zwei Jobs 

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hatte dem ehemaligen SPD-Politiker Beihilfe zur Untreue im besonders schweren Fall vorgeworfen – von Mai 2015 bis Juni 2017, als Manjura noch nicht Sozialdezernent, sondern Stadtverordneter gewesen war. Er räumte vor Gericht ein, für zwei Jobs bezahlt worden zu sein: als Referent für die Geschäftsführung der Awo Wiesbaden mit 30 Stunden pro Woche sowie für einen Minijob in einem Altenpflegeheim. 

Er habe aber deutlich weniger gearbeitet als vereinbart. Für den Minijob seien gar nicht erst Aufgaben definiert worden. „Das kann auch der Awo-Führung nicht verborgen geblieben sein, wurde von ihr aber zu keiner Zeit thematisiert“, sagte Manjura.

Nach Darstellung der Generalstaatsanwaltschaft kamen bei den beiden Jobs insgesamt weit mehr als 100.000 Euro an Arbeitgeberkosten zusammen. Ihrer Auffassung nach erhoffte sich die damalige Chefin der Awo Wiesbaden von diesem Arbeitsverhältnis, dass Manjura sich für die Interessen des Verbandes einsetzen würde. Der 43-Jährige bestritt jedoch erneut, dass seine Beziehung zur Awo ihn beeinflusst habe.

Geplatzte Karriere

Vor dem Geständnis hatte der Wiesbadener ausführlich von seinem Leben und seiner Karriere als Kommunalpolitiker erzählt. Wegen der Vorwürfe und des Verfahrens habe er diese Leidenschaft aufgeben müssen: 2023 kandidierte er nicht wieder als Dezernent. „Ich hätte natürlich gerne weitergemacht und ohne dieses Verfahren auch sicher weitermachen können“, sagte Manjura. Seitdem habe ihn niemand einstellen wollen. Zudem habe er unter anderem persönliche Anfeindungen erlebt. 

Der Awo-Skandal um überhöhte Gehälter, Luxus-Dienstwagen und Scheinanstellungen war 2019 aufgeflogen. Im Zentrum stehen die Awo-Kreisverbände Frankfurt und Wiesbaden. Mehrere Ermittlungsverfahren und Gerichtsprozesse beschäftigen noch immer die Justiz. Der frühere Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) wurde im Zuge der Affäre wegen Vorteilsannahme verurteilt und musste seinen Posten räumen.