Unser Orbit ist total vermüllt – das ist schon lange bekannt. Eine neue Studie hat den gefährlichsten Weltraumschrott in der Erdumlaufbahn identifiziert.
Auch wenn der Blick auf den Himmel zum Glück nicht versperrt ist: In der Erdumlaufbahn sammeln sich immer mehr menschengemachte Objekte an. Weltraumschrott macht es immer schwieriger, Kollisionen zu vermeiden, die dann für noch mehr Verschmutzung des Orbits sorgen würden.
Eine neue Studie zeigt jetzt: Die Entfernung von nur zehn besonders riskanten Objekten würde das Risiko drastisch reduzieren. Wissenschaftler aus 13 Ländern hatten mit unterschiedlichen Ansätzen diejenigen 50 Objekte in der näheren Erdumlaufbahn identifiziert, von denen statistisch das größte Risiko für Kollisionen ausgeht.
Vermüllter Orbit
„Das Hauptproblem sind immer noch Objekte aus dem 20. Jahrhundert“, erklärt Mitautor Darren McKnight gegenüber „Ars Technica“. „67 Prozent der Objekte in den Top 50 wurden im letzten Jahrhundert abgesetzt.“ Wenig überraschend werden vor allem größere Schrotteile als gefährlich gewertet. „Bei 88 Prozent der Objekte auf der Liste handelt es sich um Raketenteile“, so McKnight. „Allerdings ist der Trend besorgniserregend.“
Die Schrottteile bewegen sich im Orbit zwischen 700 und 1000 Kilometern Entfernung von der Erdoberfläche mit einer Geschwindigkeit von knapp acht Kilometern pro Sekunde um die Erde. Kommt es zu Kollisionen, sorgt die Wucht des Aufpralls bei den oft tonnenschweren Metallobjekten dafür, dass die Teile zerbersten – und so die Anzahl der unkontrolliert herumschwirrenden Teile noch weiter zunimmt. Der sogenannte Kessler-Effekt.
Weltraumschrott: Das sind die Objekte mit dem höchsten Risiko
Der Großteil der 50 als am riskantesten bewerteten Objekte stammt aus Russland beziehungsweise der Sowjetunion. 34 Objekte ließen die Russen seit Beginn des Rennens ins All in der Umlaufbahn zurück. Aus China stammen zehn Objekte, die USA sind für drei, die europäischen Staaten für zwei Objekte in den Top 50 verantwortlich. Aus Japan stammt nur ein Raketenteil.
Das bedeutet aber nicht, dass der Beitrag von EU und Japan zu vernachlässigen ist. Der 2002 gestartete Envisat-Satellit ist nach Einschätzung der Experten das zweitgefährlichste Objekt auf der Liste, die japanische H-II-Rakete aus dem Jahr 1996 ist auf Platz drei. Das sind die Top-10 Objekte:
Eine russische SL-16-Rakete, die 2004 gestartet wurdeEuropas 2002 gestarteter Envisat-SatellitEine 1996 von Japan gestartete H-II-RaketeEine chinesische CZ-2C-Rakete aus dem Jahr 2013Eine sowjetische SL-8-Rakete, die 1985 gestartet wurdeEine 1988 gestartete sowjetische SL-16-RaketeRusslands 1993 gestarteter Kosmos-2237-SatellitRusslands Kosmos 2334-Satellit aus dem Jahr 1996Eine sowjetische SL-16-Rakete, die 1988 gestartet wurdeEine von China 2019 gestartete CZ-2D-Rakete
Der Studie zufolge würde alleine die Beseitigung dieser zehn Objekte das Kollisionsrisiko um 30 Prozent senken. Die komplette Entfernung der Top 50 würde sogar eine Senkung von 50 Prozent erreichen. Allerdings scheitern Bemühungen dazu vor allem an der Frage, wer dafür finanziell aufkommt.
Gefährlicher Trend
Aktuell geht der Trend sogar in die andere Richtung, warnen die Experten. „Seit dem 1. Januar 2024 wurden 26 Raketenteile im niedrigen Erdorbit zurückgelassen, die dort noch mehr als 25 Jahre bleiben werden“, so McKnight. Die 25 Jahre hatte ein internationales Komitee zur Reduktion von Weltraumschrott als Richtlinie gesetzt: Wird ein Objekt nah genug an der Erde abgeworfen, tritt es nach 25 Jahren von selbst wieder in die Atmosphäre ein – und stellt damit kein Risiko für andere Objekte in der Erdumlaufbahn mehr dar.
Gerade China scheint das aber kaum einzuhalten. 21 der 26 Neuzugänge stammen von chinesischen Raketen, die Schrotteile wiegen im Schnitt vier Tonnen. Weil China aktuell zwei Mega-Satellitensysteme ausbaut, dürfte die Zahl noch weiter zunehmen. „Wenn sich das so fortsetzt, dürften sie deutlich über 100 Raketenteile zurücklassen, welche die 25-Jahre-Regel ignorieren“, fürchtet McKnight. Das Risiko wächst aktuell also weiter.
Quellen: Studie, Ars Technica