Bildung: Das ist zum Start des neuen Schuljahrs im Südwesten wichtig

Mehr Zeit im Gymnasium, neue Fächer, Wegfall eines Abschlusses: Zum neuen Schuljahr ändert sich einiges. Was Eltern und Schüler im Südwesten zum Schulstart wissen müssen.

Für hunderttausende Schülerinnen und Schüler gehen die Sommerferien zu Ende – am Montag müssen sie wieder zurück ins Klassenzimmer, denn das neue Schuljahr startet. Und das bringt einige Neuerungen mit sich, weil Reformen von Grün-Schwarz nun umgesetzt werden. Die prominenteste: die Rückkehr zu G9. Was ist zum Schulstart noch wichtig? Ein Überblick über die größten Themen und Baustellen.

Wegen Softwarefehler: Wieder mehr Lehrerstellen unbesetzt

In den letzten Jahren konnte die Kultusministerin vor dem Schulstart einen Rückgang des Lehrermangels verkünden. In diesem Jahr verhaut ihr aber ein Softwarefehler die Bilanz. Weil vor den Sommerferien plötzlich 1.440 unbesetzte Lehrerstellen auftauchten, sind im Südwesten kurz vor Beginn des neuen Schuljahrs wieder deutlich mehr Lehrerstellen unbesetzt als noch in den vergangenen Jahren. Es seien noch 1.159 Stellen nicht besetzt, teilte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) in Stuttgart mit. Im Vorjahr hatte die Zahl der offenen Stellen bei 250 gelegen, 2023 waren 565 Stellen vakant.

Die meisten Lehrkräfte fehlen nach Angaben des Kultusministeriums im Bereich der Sonderpädagogik. Alleine dort konnten rund 350 Lehrerstellen nicht besetzt werden. Probleme gibt es auch an den beruflichen Schulen und den Grundschulen sowie bei der Einstellung von Fachlehrern etwa für Musik oder Technik. 

Abgesehen von den 1.440 Lehrerstellen sei man bei der Lehrkräfteeinstellung auf einem guten Weg, so Schopper. Wären diese nicht zu besetzen gewesen, hätte sie zum Beginn des Schuljahrs verkünden können, dass man alle offenen Stellen besetzt habe, sagte die Ministerin. Man habe in diesem Jahr bereits 500 Stellen mehr besetzen können als zum selben Zeitpunkt im Vorjahr. 

Rückkehr zu G9

Die größte Veränderung im neuen Schuljahr dürfte an den Gymnasien anstehen. Dort starten am Montag die Fünft- und Sechstklässler mit der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Bislang war G8 Standard an den Gymnasien im Südwesten. Das ändert sich nun Schritt für Schritt. Kultusministerin Schopper erhofft sich davon auch mehr Abiturienten. „Mein Anspruch an das neue Gymnasium ist, dass ein höherer Anteil der Schüler bis zum Abitur gebracht wird“, sagte sie der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“. 

Die Eltern dürfte das neue G9 auch vor Herausforderung stellen, meint GEW-Chefin Monika Stein. Diese müssten nun die Betreuung ihrer Kinder organisieren. „In der fünften und sechsten Klasse der allgemeinbildenden Gymnasien sprechen wir nicht einmal mehr von einer Halbtagsschule“, sagte Stein. Grund dafür ist die Streckung des Unterrichtsstoffs auf neun, statt wie bislang acht Jahre. Dadurch sieht die Stundentafel für Fünftklässler nur noch 28 Wochenstunden vor. 

Auch der Philologenverband, der die Gymnasiallehrkräfte vertritt, sieht das kritisch. Man sehe bei den Eltern einen steigenden Bedarf an Ganztagesbetreuung. Im ländlichen Bereich sei die Nachfrage nicht ganz so groß – in den Städten aber schon, sagte Cord Santelmann vom Philologenverband.

Neues Fach „Informatik und Medienbildung“

Zum neuen Schuljahr steht auch an allen weiterführenden Schulen ein neues Fach auf dem Stundenplan. „Informatik und Medienbildung“ soll zunächst in den Klassen fünf und sechs starten und perspektivisch, je nach Schulart, bis Klasse neun, zehn oder elf aufwachsen. 

In den unteren Klassenstufen soll der Schwerpunkt nach früheren Angaben des Kultusministeriums vor allem auf Medienbildung liegen, in den höheren Klassen dann mehr auf Informatik. Konkrete Bildungspläne für das Fach werden derzeit noch erarbeitet. Für die ersten Jahrgänge sollen sich Lehrerinnen und Lehrer an bestehenden Bildungsplänen orientieren. 

Der Philologenverband ist mit dem Fach allerdings nicht ganz glücklich. Zum einen sei eine Wochenstunde für das Fach recht wenig, zum anderen sei die Verbindung von Informatik und Medienbildung schwierig. Informatiklehrkräfte seien nicht dafür ausgebildet, Medienbildung zu betreiben.

Kein Werkrealschulabschluss mehr

An den mehr als 200 Werkrealschulen im Südwesten startet erstmals ein Jahrgang, der den Abschluss, der den Schulen ihren Namen gibt, nicht mehr machen können. Im Zuge ihrer Bildungsreformen schaffte die grün-schwarze Landesregierung den Werkrealschulabschluss ab. Für die Schülerinnen und Schüler ändert sich laut Kultusministerium erst einmal nichts, es ergäben sich keine Veränderungen im Unterricht. Die Schulen nähmen weiter ihre ureigene Aufhabe wahr, die Schülerinnen und Schüler gezielt zum Hauptschulabschluss zu führen, so ein Ministeriumssprecher.

Für die Schulen bedeutet das aus Sicht der GEW Unsicherheit. Sie bekomme aus vielen Schulen die Rückmeldung, dass diese große Sorge hätten, ob sie ihre Schülerzahlen halten könnten. „Klar ist, dass die Attraktivität deutlich gesunken ist, dadurch dass nicht mehr der mittlere Bildungsabschluss an ihrer Schule angeboten werden kann“, sagte Gewerkschaftschefin Stein.

Neuerungen an Realschulen, Gemeinschaftsschulen und Werkrealschulen

An den Realschulen im Land wird ab diesem Schuljahr bereits nach der fünften Klasse entschieden, ob Kinder weiter auf mittlerem Niveau – also mit dem Ziel Realschulabschluss – weiterlernen, oder ob sie auf grundlegendem Niveau auf den Hauptschulabschluss vorbereitet werden. Bislang wurde diese Entscheidung nach der sechsten Klasse gefällt.

Deutsch und Mathe sollen an den Werkrealschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen durch zusätzliche Studen in Klasse 5 und 6 gestärkt werden.

Weiterer Ausbau der Sprachförderung 

Neben der Rückkehr zu G9 gehört der Ausbau der Sprachförderung zu den großen Vorhaben der Bildungsreformen von Grün-Schwarz. Schon im vergangenen Schuljahr startete die ergänzende Sprachförderung „Sprachfit“ vor der Einschulung mit rund 350 Gruppen an einigen Kitas und Grundschulen, zum neuen Schuljahr sollen dem Ministerium zufolge weitere 600 Gruppen hinzukommen. 2027/2028 will das Land mit 4.200 Gruppen ein flächendeckendes Angebot haben, dann soll die Teilnahme an der Förderung für Kinder mit Sprachdefiziten auch verbindlich werden.

Die Bilanz des ersten Schuljahrs mit „Sprachfit“ fällt nach Ansicht der GEW gemischt aus. Einer Umfrage der Gewerkschaft zufolge berichten viele Lehrkräfte von einer fehlenden Unterstützung, zudem müsse die Fortbildung überwiegend außerhalb der regulären Arbeitszeit absolviert werden, so die Gewerkschaft.