Ein großer Teil des Bürgergelds geht an Flüchtlinge und Ausländer. Zwei thüringische SPD-Landräte wollen vielen von ihnen Sozialleistungen bloß noch als Darlehen auszahlen.
Sozialleistungen nur noch auf Pump: Diese Regel soll künftig für alle volljährigen Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer aus Nicht-EU-Ländern gelten. Das fordern die beiden Thüringer Landräte Matthias Jendricke und Marko Wolfram. Was den Vorschlag besonders radikal wirken lässt: Beide sind Mitglieder der SPD.
„Wir brauchen endlich wieder einen echten Reformwillen der Berliner Politik und kein Herumdoktern an einem zunehmend dysfunktionalen System“, sagte der Nordhäuser Landrat Matthias Jendricke dem stern. „Wer in unser Land kommt und hier bisher nichts eingezahlt hat, darf Sozialleistungen nur noch als zinsloses Darlehen bekommen.“
Funktionieren soll der Kredit laut Jendricke ähnlich wie beim Bafög für Studierende: Wer rasch eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufnehme, müsste nur einen Teil der empfangenen Leistungen zurückzahlen. Zudem sollten bei raschen Rückzahlungen Abschläge gewährt werden.
Bürgergeld wie Bafög
Es gehe darum, Migranten zur raschen Arbeitsaufnahme zu motivieren, erklärte Marko Wolfram. Er ist Landrat des Kreises Saalfeld-Rudolstadt. „Damit würde ein positiver Anreiz entstehen, sich zügig zu integrieren“, sagte er. Gleichzeitig wirke man auch einer Neiddebatte gegenüber Migranten entgegen. „Wichtig ist, wir brauchen Druck im System“, sagte Jendricke.
Die Ausgaben für das Bürgergeld beliefen sich 2024 auf 46,9 Milliarden Euro. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind etwa 47 Prozent der knapp vier Millionen Empfänger ausländische Bürger. Der Anteil von Flüchtlingen liegt bei etwa 30 Prozent.
Die größte Empfängergruppe sind die gut 1,2 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Nur etwa ein Drittel von ihnen arbeitet. Im Ergebnis erhalten 693.000 Ukrainerinnen und Ukrainer Bürgergeld, obwohl 497.000 von ihnen zumindest als teilweise erwerbsfähig gelten. Allein an sie gingen nach Angaben des Sozialministeriums etwa 6,3 Milliarden Euro.
Der Regelsatz für alleinstehende Bürgergeldempfänger beträgt monatlich 563 Euro. Hinzu kommen Miete und Heizungskosten. Leistungen an Asylbewerber sind in der Regel niedriger. Hier lagen die Brutto-Ausgaben im Jahr 2023 bei 6,3 Milliarden Euro.
Die schwarz-rote Koalition plant eine Reform des Bürgergelds. Diskutiert werden härtere Sanktionen, ein schärferer Umgang mit dem sogenannten Schonvermögen und Kürzung bei Zusatzleistungen. Zudem gibt es Forderungen, die Ausnahmeregelung für ukrainische Flüchtlinge zu beenden und ihnen nicht mehr sofort Bürgergeld zu gewähren. Allerdings bremst Bundesarbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas immer wieder.
Der Nordhäuser SPD-Landrat Matthias Jendricke
© Landratsamt Nordhausen
Auch die beiden SPD-Landräte betonen, dass sie Ausländern und Flüchtlingen nicht generell Sozialleistungen kürzen oder gar verweigern wollten. Leistungen für Minderjährige sollten nicht zurückgezahlt werden müssen. „Uns geht es allein darum, den Integrationswillen von neuen Migranten zu erhöhen“, sagte Wolfram. Entsprechend großzügig sollte die Rückzahlung gehandhabt werden.
Rückzahlungsbonus für Schulabschluss
Laut Jendricke sollte Flüchtlingen das Darlehen zur Hälfte erlassen werden, wenn sie innerhalb eines Jahres in Arbeit wechselten und eine Sprachprüfung absolvierten. „Auch der erfolgreiche Schulabschluss von Kindern könnte mit einem Rückzahlungsbonus für die Eltern belohnt werden“, sagte er.
Verfassungsrechtlich steht der Vorschlag der Landräte auf unsicherem Boden. Das Bundesverfassungsgericht entschied etwa 2022, dass aus Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ abzuleiten sei. Damit korrespondiere für alle in Deutschland lebenden Menschen „ein Leistungsanspruch, im Fall der Bedürftigkeit materielle Unterstützung zu erhalten“.
Die oppositionelle AfD hat die bisher weitestgehenden Forderungen aufgestellt. Sie will, dass eine „aktivierende Grundsicherung“ nur an Ausländer gezahlt wird, wenn sie mindestens zehn Jahre sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit nachweisen können. Zudem soll die Leistung für höchstens ein Jahr gezahlt werden.