Frauen haben lange um ihre Rechte gekämpft, doch der Umgang mit Frauke Brosius-Gersdorf zeigt: Nun wollen Männer ihnen wieder die Welt erklären. Unsere Kolumnistin sorgt sich um die Selbstbestimmung.
Die Big Men sind wieder da! In Form von Trumpismus, Maskulinismus oder wie auch immer wir diese Rückkehr des starken Mannes nennen. Wir reden viel darüber. Auch über Jungs, die nicht wie Obermaskulinist Andrew Tate werden sollen. Doch was heißt das alles für uns Frauen?
Selbst wenn die sogenannten guten Männer gern vor dem Trumpismus warnen, greift er doch um sich. Brachiale Ichbezogenheit fasziniert viele Männer, auch jene, die Trump kritisieren. Heimlich bewundert man ihn doch, weil er es kann, weil er die männliche Dominanz schamlos auslebt – und auch noch gewinnt. Manche Männer glauben derzeit wieder, die Redezeit in Sitzungen gehöre nur ihnen, sie schämen sich nicht mehr für Mansplaining, war doch eh so ein woker Scheiß.
Nicht halb so oft aber reden wir darüber, was das mit Frauen macht. Merkwürdig, oder?
Sind wir Frauen, wenn der Wind sich dreht, so schnell wieder das schwächere Geschlecht? Ich habe mich immer gegen diesen Begriff gewehrt. Ich kann stark sein, dachte ich immer. Ich kann mir holen, was ich brauche, ich kann meinen Platz einnehmen, dachte ich.
Kann ich es auch in diesen Zeiten?
Ich erlebe zunehmend, wie Männer um mich herum von Trumps Breitbeinigkeit angesteckt werden. Wie viel von dem, was in den vergangenen Jahren behauptet wurde, war reine Pose? Viele Männer im Bereich Kultur, Politik und Medien sagten, weil es chic war: Ich bin Feminist. Wo sind sie jetzt? Wo sind sie, wenn eine Kandidatin für die Wahl der Verfassungsrichterin als zu links abgesägt werden soll, auch weil sie sich für die Selbstbestimmung der Frau eingesetzt hat? Merken sie es selbst, wenn sie auf einer Bühne ihre Kolleginnen nicht ausreden lassen oder verächtlich machen, jetzt, da das gar nicht mehr so viel Empörung auslöst? Männer reden nun auch wieder leichter unter sich, der neue Kanzler lebt es in seinen engsten Zirkeln vor. Wenn Frauen fehlen, ist das allerdings nie Cancel Culture, sie waren nur nicht qualifiziert genug, schätze ich.
Kann ich mir die Selbstbestimmung jetzt nicht mal mehr erkämpfen?
Ich habe gerade in Heidelberg ein Literaturfestival kuratieren dürfen und die Autorin Marlene Streeruwitz dorthin eingeladen. Es wurde ein unvergesslicher Abend mit einer 75-jährigen Autorin, die aufrecht wie eine Hohepriesterin auf der Bühne saß, als habe sie alles schon gesehen und blicke nun aufs Menschentreiben hinab. Eloquent und mit einem Schmunzeln im Gesicht nahm sie ihren sympathischen Moderator auseinander, wenn er in Stereotype verfiel: Ihre Romanheldin sei gestört, sagt er einmal. Sie darauf: Ach ja, erklären Sie mir mal! Satz um Satz wand der Herr sich, das Publikum lachte. Er sei, so sagte sie, auch wenn er freundlich lächle, als Mann der Hegemon. Das Patriarchat hat die Gesellschaft nach seinen Vorstellungen ausgerichtet.
Marlene Streeruwitz sagte auch: Um sich gleichberechtigt zu begegnen, muss der Mann freiwillig von seiner dominanten Stellung Abstand nehmen. Platz geben.
Wie bitte? Kann ich es mir nicht erkämpfen, dachte ich, muss ich wirklich auf die Gnade der Männer warten? Und was war mit der Geschichte des Feminismus, haben nicht etwa Frauen wie die Suffragetten alles hart auf der Straße errungen?
Ja, wir haben gekämpft. Doch damals ging es um Gesetze. Jetzt geht es um den Umgang miteinander. Hier gibt es kein Gesetz, sondern nur Bewusstsein, und das ist viel schwerer auszumachen. Marlene Streeruwitz sagte, Männer müssten uns das geben. Nicht wir Frauen sollten es erkämpfen, weil es gar nicht gehe.
Ich lehne mich zurück, macht mal, liebe Männer, ihr!