Fried – Blick aus Berlin: Fraktionschef in Bombenstimmung

Kanzler Friedrich Merz und sein Fraktionschef Jens Spahn feiern: Deutschland ist wieder da. Angeblich freuen sich die europäischen Partner auch darüber. Nur wie lange noch?

Jens Spahn hat ein besonderes Verhältnis zur Bundeswehr: Er verdankt ihr sein Leben. Obgleich ausgemustert und deshalb ungedient, wurde er als junger Abgeordneter 2002 stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss. 2005 reiste er auf Truppenbesuch zu den deutschen Soldaten nach Afghanistan. Auf dem abgelegenen Stützpunkt Faizabad, so weiß es Spahns Biograf Michael Bröcker zu berichten, erlitt er eine akute Blinddarmentzündung und musste notoperiert werden.

Jens Spahn wäre beinahe Verteidigungsminister geworden

Im Juli 2019 wäre Spahn fast Verteidigungsminister geworden. Ursula von der Leyen, zuletzt die erste Frau an der Spitze der Bundeswehr, wechselte in die Europäische Kommission. Spahn galt als Favorit für ihre Nachfolge. In der entscheidenden CDU-Telefonkonferenz soll Kanzlerin Angela Merkel zu ihm gesagt haben, er mache doch einen „Bomben-Job“, was nicht als Begründung diente, ihn zu versetzen, sondern ihn als Gesundheitsminister zu behalten. Neue Verteidigungsministerin wurde Annegret Kramp-Karrenbauer. Und wie bombig Spahn dann den Rest seiner Amtszeit bestritt, ist derzeit Gegenstand ausgiebiger Debatten.

Bundeswehr und Verteidigungspolitik sind für Spahn wichtige Themen geblieben. Mittlerweile ist der CDU-Politiker als Vorsitzender der Unionsfraktion in einer Position, in der er sich zu allem äußern darf. So drängt er auf zügige Wiedereinführung der Wehrpflicht, was den geringen Vorrat an Sympathien beim Koalitionspartner weiter abschmelzen lassen dürfte.

Jetzt hat Spahn gefordert, über einen atomaren Schutzschirm für Europa zu diskutieren. Diese Debatte gibt es an sich schon, seit Emmanuel Macron sie eröffnet, Spahns Parteichef Friedrich Merz sie aufgegriffen und der damalige Kanzler Olaf Scholz sie für überflüssig erklärt hatte. Sie wird trotzdem in einschlägigen außenpolitischen Kreisen geführt. Spahn aber treibt die Diskussion nun weiter, indem er auch eine irgendwie geartete deutsche Führungsrolle ins Spiel bringt.

Nun kann man sagen, angesichts der russischen Bedrohung dürfe keine Frage mehr tabuisiert werden. Natürlich kann es einem mulmig werden, wenn die atomare Abschreckung durch den Nato-Partner USA in den Händen eines Mannes liegt, der in seiner Zuneigung für Europa eher wankelmütig erscheint. Aber richtig ist auch, dass die russische Bedrohung kein Freibrief dafür ist, aus der Zeitenwende eine Art „Wünsch-dir-was“ ohne Rücksicht auf Sensibilitäten anderer, insbesondere europäischer Partnerstaaten abzuleiten.

Deutsche Dominanz kann leicht gefährlich werden

Da geht es nicht nur um die Sache, da macht auch der Ton die Musik. Merz und Spahn werden nicht müde, Deutschlands angebliche Rückkehr auf die internationale Bühne zu feiern. Aber wie! Die neue Regierung ist noch keine zwei Monate im Amt, schon hat der Kanzler angekündigt, die Bundeswehr solle konventionell zur „stärksten Armee Europas“ werden. Und jetzt mutmaßt sein Fraktionschef über eine deutsche Führungsrolle bei der nuklearen Abschreckung.

Es mag sein, dass europäische Partner mehr sicherheitspolitisches Engagement Deutschlands für richtig halten, und auch, dass Berlin dafür Geld ohne Ende ausgeben will. Deshalb ist aber das historische Bewusstsein nicht verschwunden, wie gefährlich deutsches Dominanzstreben werden kann. Spekulationen über eine Führungsrolle bei atomarer Abschreckung sind ein sicherer Weg, Wohlwollen und Vertrauen, auf das man sich beruft, schnell wieder zu verspielen.