Der 21-jährige Lorenz A. stirbt durch Polizeischüsse von hinten. Die Grüne Jugend fordert: Das darf nicht ohne Folgen bleiben und bringt vier Reformvorschläge auf den Tisch.
Nach dem Tod des 21-jährigen Lorenz A. in Oldenburg fordert die Grüne Jugend Niedersachsen tiefgreifende Reformen bei der Polizei. Konkret verlangt der Jugendverband eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für eine bessere Erkennbarkeit der Polizisten im Fall einer Beschwerde, den verpflichtenden Einsatz von Bodycams, eine unabhängige Ermittlungsstelle sowie einen unabhängigen Polizeibeauftragten. Alle vier Maßnahmen seien noch in dieser Legislatur umsetzbar, sagten die Vorsitzenden Yola Kreitlow und Lukas Kluge der Deutschen Presse-Agentur.
Kritisch sieht der Grünen-Nachwuchs die Ermittlungen gegen den Polizisten, der den jungen schwarzen Mann in der Nacht zu Ostersonntag mit mehreren Schüssen von hinten tötete. „Es darf nicht sein, dass eine benachbarte Polizeidienststelle – wie in Delmenhorst – über die Polizei in Oldenburg entscheidet“, sagte Kreitlow. Zudem waren die Bodycams der eingesetzten Beamten offenbar nicht eingeschaltet. „Wenn die Technik da ist, sollte man sie auch einsetzen.“
Debatte über Vertrauen und Reformen
Die Grüne Jugend will keine Pauschalkritik an der Polizei, sondern eine sachliche Debatte über strukturelle Probleme. „Warum gibt es in Teilen der Bevölkerung Angst oder Misstrauen gegenüber der Polizei? Und was muss passieren, damit die Polizei Vertrauen zurückgewinnt?“, fragte Kluge.
Aktionstag gegen Polizeigewalt
Die Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ ruft gemeinsam mit mehreren Gruppen heute zu einem bundesweiten Aktionstag gegen rassistische Polizeigewalt auf. In Oldenburg ist eine Demonstration ab 13.00 Uhr auf dem Rathausmarkt geplant. Die Organisatoren fordern eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit strukturellen Ursachen von Polizeigewalt.
Polizeigewerkschaften sehen keinen Reformbedarf
Kritik an den Forderungen der Grünen Jugend kam von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Niedersachsen. Landeschef Patrick Seegers hält eine Kennzeichnungspflicht für überflüssig. Schon jetzt könne bei Fehlverhalten intern nachvollzogen werden, wer im Einsatz war. Eine unabhängige Ermittlungsstelle lehnt er ab – sie untergrabe aus seiner Sicht das Prinzip der Gewaltenteilung. Auch bei einer verpflichtenden Bodycam-Nutzung sieht Seegers rechtliche Probleme. Einen Polizeibeauftragten hält er für unnötig – die bestehenden Strukturen reichten aus.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Niedersachsen äußerte sich kritisch. Eine individuelle Kennzeichnung sei Symbolpolitik und schaffe zusätzliche Bürokratie, sagte Landeschef Kevin Komolka. In geschlossenen Einsätzen gebe es bereits anonymisierte Kennzeichnungen, mit denen Einsatzkräfte identifizierbar seien.
Die Bodycam-Pflicht unterstützt die GdP grundsätzlich – fordert aber mehr rechtliche Möglichkeiten, etwa für Aufnahmen in Wohnungen. Für Ermittlungen sei die Staatsanwaltschaft zuständig. Einen Polizeibeauftragten hält Komolka auch für überflüssig – es gebe bereits ein Beschwerdemanagement im Innenministerium.
Land verweist auf Koalitionsvertrag und rechtliche Hürden
Das Innenministerium sieht bei den Forderungen teils politische, teils rechtliche Hürden. Eine Kennzeichnungspflicht sei im Koalitionsvertrag vereinbart, bislang aber nicht umgesetzt. Bei Bodycams verwies das Ministerium auf Persönlichkeitsrechte und rechtliche Grenzen – eine automatische Aufzeichnung werde geprüft, sei aber rechtlich komplex. Eine unabhängige Ermittlungsstelle sei nicht nötig, da die Strafverfolgung bereits gesetzlich geregelt sei. Ein Polizeibeauftragter sei Sache des Landtags.