„Spieglein, Spieglein an der Wand“ – mancher HVV-Kunde dürfte sich bald wie im Märchen fühlen. An der Bushaltestelle der Zukunft soll er vor einen Monitor treten und jede mögliche Auskunft bekommen.
Ohne Handy im Nahverkehr unterwegs und trotzdem gut informiert: Dafür soll im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) eine moderne Bushaltestelle sorgen, die Auskünfte über einen Sprachassistenten gibt. HVV-Geschäftsführerin Anna-Theresa Korbutt präsentierte auf dem Internationalen Mobilitätskongress UITP in Hamburg den Prototyp einer solchen Haltestelle. Kunden können sich demnach einfach vor einen Bildschirm stellen und einen sogenannten Avatar, also einen von Künstlicher Intelligenz dargestellten Menschen, nach Verkehrsverbindungen fragen.
Auf Deutsch und zahlreichen weiteren Sprachen kann der Avatar Informationen zum Fahrtweg, zu Umsteigestationen und zum Ticket geben. Die KI-Stimme antwortet über einen Lautsprecher. Zugleich erscheint ein QR-Code auf dem Monitor, über den die Informationen auch mit einem Handy gespeichert werden können. Vielen Nutzern von Sprachassistenten, etwa Siri von Apple oder Alexa von Amazon, dürfte dieses System vertraut sein. Korbutt bezeichnete es jedoch als Ziel, dass HVV-Kunden ohne eine Handy-App zurechtkommen.
NRW-Minister: Ersatz für Reisezentrum
Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks und sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Oliver Krischer (beide Grüne) sehen die intelligente Haltestelle als möglichen Ersatz für Reisezentren. Es gebe in Nordrhein-Westfalen viele mittelgroße Städte mit einem Verkehrsknotenpunkt, wo Fahrgäste nur noch mit dem Handy eine Reiseauskunft bekämen. Rund um Köln müssten möglicherweise 14 Reisezentren geschlossen werden. Dort könne ein solcher „Mobility Touchpoint“ eine Lösung sein, sagte Krischer.
Ihr persönliches Ziel sei, dass bereits im nächsten Jahr eine Haltestelle dieser Art in Hamburg aufgebaut werde, sagte Korbutt. Zu den Kosten des Projekts wollte die Geschäftsführerin nichts sagen. Verkehrssenator Tjarks zeigte sich zuversichtlich, dass bei einer Serienproduktion der Preis für eine Haltestelle sinken würde. Hamburg wolle mit Nordrhein-Westfalen und weiteren Bundesländern kooperieren. Außerdem müsse der Preis in Relation zu den Kosten eines Reisezentrums gesetzt werden.
Intelligente Kamera soll Vandalismus melden
Bei dem Projekt werde stark auf Sicherheit und Barrierefreiheit geachtet, erklärte Korbutt. Kundinnen und Kunden könnten den Sprachassistenten nach einem sicheren Weg nach Hause fragen, der beispielsweise beleuchtet sei und über offene Flächen führe. Die Haltestelle sei auch für sehbehinderte Menschen und Rollstuhlfahrer ausgestattet. Kameras überwachen den Ort und sollen auch gegen Vandalismus schützen. Die Künstliche Intelligenz werde etwa die Bewegungen eines Sprayers erfassen und die Polizei verständigen können, hieß es.
„ÖPNV muss sexy werden“
Die neue Haltestelle solle auch mehr Aufenthaltsqualität bieten. „ÖPNV muss sexy werden, ÖPNV muss cool werden“, sagte die HVV-Geschäftsführerin. Der überdachte Prototyp hat zu beiden Seiten Bänke und in eine Seitenwand sind Topfpflanzen integriert. Das sei eine Anmutung, die weiterentwickelt werde, inklusive Begrünungsflächen und Trinkwasseranschluss, erklärte sie.
Ob Kunden in Anwesenheit anderer Fahrgäste ohne Hemmungen laut ihre Fragen an einen Avatar stellen werden, konnte die Korbutt nicht sagen. Das solle in sogenannten User-Tests erforscht werden. Unklar ist auch, ob sich – wie in den Reisezentren üblich – an einem gut besuchten Verkehrsknoten lange Schlangen vor dem Auskunftsassistenten bilden würden. Wie im Reisezentrum soll auch der Kauf eines Tickets möglich sein.
Neue App in Kooperation mit Berlin geplant
Der Geschäftsführer von Synergeticon, David Küstner, erklärte, der Softwarehersteller sei in der Lage, auch eine mobile Version des Avatars anzubieten. Tatsächlich soll auch die Switch-App für HVV-Kunden weiterentwickelt werden. Auf dem Mobilitätskongress wurde die neue App „Max“ vorgestellt, die in Kooperation mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) entwickelt wurde. „Max“ solle im Juni oder Juli kommenden Jahres die Switch-App ablösen, wie der Marketingleiter Digitale Geschäftsmodelle bei der Hamburger Hochbahn, Marcus Schulz, sagte. Sie werde weitere Verkehrsmittel wie die öffentlichen Leihfahrräder von Stadtrad anbieten.