„Polizeiruf 110“ in der ARD: Düster, bewegend, brillant besetzt: Diesen Krimi aus Rostock sollten Sie sehen

Im Wald wird eine Frau erschossen. Das führt die „Polizeiruf 110“-Kommissarinnen Böwe und König zum Sohn eines Serienmörders und der Frage: Was macht einen Menschen zum Verbrecher?

4 von 5 PunktenEinfühlsam erzähltes Familiendrama

Worum geht’s in dem „Polizeiruf 110“ aus Rostock?

Eva Greuner (Jördis Triebel) und ihr Sohn Milan (Eloi Christ) leben abgeschieden in einem Haus am Waldrand und betreiben eine Fischräucherei. Die einzigen Menschen, mit denen sie regelmäßig Kontakt haben, sind die Mitglieder der benachbarten Försterfamilie Cobalt. Deren Sohn Paul (Jonathan Lade) ist in einem ähnlichen Alter wie Milan, die beiden scheinen sich gut zu verstehen. Als eine junge Tierschützerin erschossen und eine zweite Frau schwer verletzt wird, gerät Milan Greuner ins Visier der Kommissarinnen Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Melly Böwe (Lina Beckmann). Der Junge ist ein verschlossener Einzelgänger, der in seinem Zimmer düstere Zeichnungen an der Wand hängen hat und gerne mit dem Gewehr in den Wald geht. Alle scheinen Milan für den Täter zu halten – sogar seine eigene Mutter. „Er hat diese Wut. Manchmal habe ich richtig Angst vor ihm“, sagt Eva Greuner. Sie berichtet den Ermittlerinnen, dass Milans Vater ein Vergewaltiger und Frauenmörder war. Ist nun auch sein Sohn zum Verbrecher geworden?

Warum lohnt sich der Fall „Böse geboren“?

„Es gibt in unserer Gesellschaft die Tendenz, Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Vergangenheit oder bestimmter äußerer Merkmale zu stigmatisieren und in eine Rolle zu drängen, aus der sie schwer entkommen können“, sagt Regisseur Alexander Dierbach. Der Film (Drehbuch: Catharina Junk und Elke Schuch) zeigt das eindringlich an der Figur des Jugendlichen Milan Greuner. Das Leben des Jungen scheint vorbestimmt zu sein, weil er der Sohn eines Serienmörders ist. Milan behauptet, er habe das „Verbrecher-Gen“, seine Mutter glaubt, dass „das Töten einfach in ihm drin steckt – wie bei seinem Vater“. Auf der anderen Seite steht der Förstersohn Paul, der sein Studium meistert und in einem auf den ersten Blick harmonischen Umfeld aufwächst. Die Lebenswelten der beiden Familien werden gekonnt miteinander verknüpft, peu à peu tun sich immer mehr Abgründe auf. Mit Schauspielerin Jördis Triebel als Milans Mutter Eva ist der Krimi großartig besetzt und bietet zudem mit einem erschütternden Finale reichlich Spannung.

Was stört?

Wer eine komplexe Kriminalgeschichte erwartet, könnte enttäuscht werden. Der Film wird – wie oft im „Polizeiruf 110“ – von den persönlichen Schicksalen der Protagonisten getragen. Fans der Krimireihe dürfte Hauptdarsteller Eloi Christ bekannt vorkommen: 2022 spielte er an der Seite von Claudia Michelsen im Magdeburger „Polizeiruf 110: Black Box“ ebenfalls einen traumatisierten Jugendlichen. Der 22-jährige Christ liefert vor der Kamera erneut eine überzeugende Leistung ab, ein wenig mehr Abwechslung beim Casting wäre aber wünschenswert. Es ist nicht das erste Mal, dass die Sonntagskrimis immer wieder auf die selben Gesichter setzen. Und es gibt das leidige Thema mit dem Zeitpunkt der Ausstrahlung: Der Krimi spielt zu Beginn im verschneiten Wald. Ende Mai ist das wenig passend.

Die Kommissarinnen?

Der Fall geht Kommissarin Melly Böwe sehr nahe, denn sie hat mit Rose ebenfalls eine Tochter im jugendlichen Alter. Als die plötzlich vor ihrer Tür steht und mehr über ihren Vater und ihre Familie erfahren will, macht die Kommissarin völlig dicht. Rose wendet sich an Katrin König, doch die lässt sie ebenfalls abblitzen. „So gut kenne ich deine Mutter nicht. Wir sind nur Kolleginnen. Sonst nichts“, stellt König klar. Nicht nur der ungelöste Fall, sondern auch die persönlichen Verwicklungen sorgen für reichlich dicke Luft zwischen den Ermittlerinnen.

Ein- oder ausschalten?

Düster, bewegend, brillant besetzt: Diesen Krimi sollten Sie nicht verpassen.

Melly Böwe und Katrin König ermittelten auch in diesen Fällen:

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