„Polizeiruf 110: Böse geboren“: Der Mythos vom „Killer-Gen“

Der neue „Polizeiruf 110“ dreht sich um die Frage, ob das Böse tatsächlich vererbbar ist. Eine einfache Antwort gibt es darauf nicht.

Im „Polizeiruf 110: Böse geboren“ gerät der wortkarge Einzelgänger Milan Greuner (Eloi Christ) nach dem Tod einer Umwelt-Aktivistin fast zwangsläufig unter Mordverdacht. Verdächtig macht ihn nicht nur der Umstand, dass er von einer seltsamen Leidenschaft getrieben gerne im benachbarten Wald wildert, um die Kadaver dann in einem ausufernden Friedhof hinter seiner Hütte zu vergraben. Milan ist zudem bekanntermaßen der Sohn eines Serienmörders und das Produkt einer Vergewaltigung. Als immer neue Indizien auf seine Täterschaft hinzudeuten scheinen, kommt selbst seine verzweifelte Mutter zwischenzeitlich zu dem Gedanken: „Das Töten steckt einfach in ihm drin. Wie bei seinem Vater.“

Das Finale dieses düsteren Rostocker Psychodramas widerspricht der simplen Annahme eines regelrechten „Killer-Gens“ jedoch deutlich – nicht der Sohn des Serienkillers war der Mörder, sondern der zunächst unverdächtige Nachbarsjunge. Auch die wissenschaftliche Forschung ist sich weitgehend einig darüber, dass es ein „Verbrecher-Gen“ im Sinne eines einzigen Gens, das automatisch zu kriminellem Verhalten führt, nicht gibt.

Genetische Faktoren spielen nur Nebenrolle

Eine Vielzahl unterschiedlicher Studien kommt vielmehr zu dem Schluss, dass genetische Faktoren bei einer kriminellen oder gewalttätigen Laufbahn zwar eine gewisse Rolle spielen können, dies jedoch nur in komplexer Verbindung mit Umweltfaktoren und persönlicher Entwicklung.

Wie unter anderem das Fachblatt „Bild der Wissenschaft“ berichtet, widmete sich im Jahr 2014 ein internationales Forscherteam in einer groß angelegten Studie mit rund 800 finnischen Gefängnisinsassen einer möglichen Verknüpfung von Kriminalität mit genetischen Faktoren. Anhand von DNA-Proben der Teilnehmer, notorische Gewalttäter und extreme Wiederholungstäter, überprüften die Forscher in verschiedenen Analysen, ob bestimmte Genvarianten bei dieser Straftätergruppe häufiger vorkamen als im Durchschnitt der Bevölkerung.

Dem Bericht zufolge entdeckten die Forscher tatsächlich an zwei Genorten ein bei Gewaltverbrechern überdurchschnittlich häufig auftretendes Signal. Bei dem einen habe es sich um eine Genvariante im sogenannten MOA-A Gen (Monoaminoxidase A) gehandelt, die zu einem Ungleichgewicht von Neurotransmittern wie etwa Serotonin führen könne – was wiederum erhöhte Reizbarkeit und Aggressivität zur Folge haben könne. Bedingung hierfür sei allerdings nachweislich das gleichzeitige Vorliegen traumatischer Kindheitserfahrungen, wie etwa sexueller Missbrauch.

Eine weitere bei notorischen Straftätern auffällig häufig vertretene Genvariante betreffe das CDH13-Gen, welches auch bei der Verhaltensstörung ADHS eine Rolle spiele. Schon vorherige Studien hätten bestätigt, dass diese Variante zu Problemen bei der Impulskontrolle führen könne.

Mythos „Natural Born Killer“

In dem wissenschaftlichen Fazit zu ihrer Studie betonten die Forscher jedoch nachdrücklich, dass diese problematischen Genvarianten für sich alleine niemanden zu einem Mörder machen könnten. „Kriminelles Verhalten ist ein komplexes Phänomen, das sowohl durch genetische als auch durch Umweltfaktoren geprägt wird“ heißt es im Schlusswort dazu. Ob jemand diese „potenziellen Risikofaktoren“ in sich trage, sage noch nichts darüber aus, ob er tatsächlich jemals in seinem Leben eine Gewalttat begehen werde. Der „Natural Born Killer“ sei somit nichts als ein populäres Klischee.