Investitionsstau an Schulen, Krankenhäuser und zu wenige bezahlbare Wohnungen: Die Alltagsprobleme der Menschen im Norden seien groß, sagt die Oppositionsführerin. Was sie von der Koalition fordert.
Oppositionsführerin Serpil Midyatli macht nach drei Jahren Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein große Defizite vor allem bei Bildung, Gesundheit, Kita und Wohnen aus. Die Regierung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) habe keine Antworten auf die Alltagssorgen und Probleme der Menschen, sagte die SPD-Fraktionschefin der Deutschen Presse-Agentur. Es sei kein Plan erkennbar.
Bestätigt fühlt sich Midyatli durch das Urteil des Landesverfassungsgerichts, das auf Klage von SPD und FDP die Notkredit-Praxis der Koalition für verfassungswidrig erklärte. „Das Urteil zeigt, wie nötig es ist, diese Landesregierung zu kontrollieren.“ Die Regierung habe alle Hinweise zur Verfassungswidrigkeit der Haushaltspraxis in den Wind geschlagen. „Zudem hat die Regierung handwerklich wirklich schlecht gearbeitet.“
Zunächst wollte Schwarz-Grün erst im Herbst mit einem Nachtragshaushalt auf das Urteil reagieren. Doch auf Druck von SPD und FDP erklärte sich Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) am Donnerstag bereit, noch vor der Sommerpause einen ersten Nachtrag vorzulegen.
350 Anträge und 1.000 Kleine Anfragen
Ihre Fraktion habe seit Günthers Wiederwahl 2022 diverse Vorschläge gemacht, um Probleme im Land anzugehen, sagte Midyatli. „Wir haben mehr als 350 Anträge und rund 1.000 Kleine Anfragen gestellt. Unser Job ist es, die Regierung zu kontrollieren, auf Missstände hinzuweisen und anderseits eigene Vorschläge zu machen.“
Notwendig sind aus Sicht Midyatlis massive Investitionen in Schulen. „Wenn jedes vierte Kind in der vierten Klasse noch nicht mal ein Pixibuch lesen kann, dann ist das in Wahrheit ein katastrophales Zeugnis für diese Landesregierung.“ Doch statt den Sanierungsstau bei den Gebäuden anzugehen, streiche die Koalition Lehrerstellen und reduziere dadurch die Unterrichtsversorgung. „Notwendig ist es stattdessen, mehr zu investieren, um die Bildungschancen der Kinder zu erhöhen.“
Viele Eltern hätten weiter große Probleme, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. „Wir wissen aus Studien, dass uns über 15.600 Kita-Plätze in Schleswig-Holstein fehlen.“ Das sei ein wesentlicher Grund, warum viele Frauen nur in Teilzeit arbeiteten.
„Günther dafür verantwortlich“
In der Vergangenheit habe Regierungschef Günther bei Problemen oft auf den Bund verwiesen, sagte Midyatli. Das ginge seit der Wahl von dessen Parteifreund Friedrich Merz zum Kanzler nun nicht mehr so leicht. Es sei Job des Ministerpräsidenten, dieses Land zukunftsfest zu machen. „Unsere Aufgabe als Opposition ist es, den Menschen klarzumachen, dass Günther dafür verantwortlich ist.“
Durch die 100 Milliarden Euro aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen für Investitionen in den Ländern hat sich für die SPD-Landesvorsitzende die Lage zudem geändert. „Wir brauchen das Geld für unsere Straßen, für die Schienen, für die Brücken, aber natürlich auch für den restlichen Investitionsbedarf. 3,5 Milliarden Euro hört sich nach viel an, aber allein in den Schulen haben wir einen Sanierungsstau zwischen 12 und 16 Milliarden Euro.“ Zudem fehlten im Kita-Bereich und bei den Krankenhäusern Geld. „Und über Klimaneutralität haben wir dabei noch nicht gesprochen.“
Die größte Herausforderung im Norden sieht Midyatli bei bezahlbarem Wohnraum. „Das ist mittlerweile eine soziale Frage, denn in keinem anderen Flächenland müssen die Menschen so viel von ihrem Lohn für die Miete ausgeben.“ Günstige Wohnungen fehlten längst nicht nur im Hamburger Speckgürtel, sondern auch in kleineren Städten. Notwendig sei deshalb mehr Tempo beim sozialen Wohnungsbau. „Wir brauchen bis 2045 rund 160.000 Wohnungen.“