ESC 2025: Sauna, Mama oder die obszöne Erika? Das sind die Favoriten für Basel

Wer gewinnt den Eurovision Song Contest in Basel? Mehrere Länder wetteifern um den ESC-Sieg. Deutschland schwankt zwischen Bangen und Hoffen. Ein Blick auf die fünf Favoriten.

Schweden auf Rekordjagd: Die Skandinavier haben gute Chancen, den Eurovision Song Contest erneut zu gewinnen. Nach Loreen, Måns Zelmerlöw und wieder Loreen dann zum vierten Mal in den vergangenen 15 Jahren. Sollte die sympathische Band KAJ mit ihrem Sauna-Song „Bara Bada Bastu“ (Einfach in die Sauna gehen) erfolgreich sein, wäre dies der achte Sieg für Schweden im Wettbewerb. So viele Titel holte kein anderes Teilnehmerland. Dauersieger Irland (sieben Siege) wäre überholt.

ESC 2025: Ein Favorit ist schon raus

Für die britischen Buchmacher steht der Sieg von Schweden schon fest. Dort liegen die Saunaboys von KAJ mit weitem Abstand vor Österreich und den Niederlanden. Doch wie sehr die Wettquoten daneben liegen können, hat der belgische Teilnehmer Red Sebastian im ersten Semifinale bitter erfahren müssen. Obwohl im Favoritenfeld gewettet, goutierten die Zuschauer seine Berghain-Nummer „Strobe Lights“ nicht. Er musste nach Hause fahren.

Beim ESC gilt: Wunder gibt es immer wieder (Katja Ebstein, 1970). Deshalb können sich gleich mehrere Länder noch Hoffnungen auf einen Sieg machen. Wer überzeugt Jurys und Televoter? Das sind die ESC-Favoriten von Basel: 

1. Schweden: „Bara Bada Bastu“ von KAJ

Schweden

Im schwedischen Vorentscheid „Melodifestivalen“ hatte sie keiner auf dem Zettel: Kevin Holmström, Axel Åhman und Jakob Norrgård heißen die Mitglieder von KAJ. Das Trio ist mehr für seine Comedyauftritte als für seine Musik bekannt. Noch dazu kommen die drei aus Finnland, wo sie der schwedisch sprechenden Minderheit angehören. Mit ihrer lustigen und auf Schwedisch und teils Finnisch vorgetragenen Nummer „Bara Bada Bastu“ treffen sie jedoch den Zeitgeist. In einer komplexen Welt voller Krisenherde lautet ihre Antwort: erst mal in die Sauna gehen. Das ist Eskapismus pur. Doch wer glaubt, eine reine Spaßnummer vor sich zu haben, der irrt. Wie immer bei schwedischen Auftritten ist die Nummer perfekt und bis aufs kleinste Detail durchchoreografiert. KAJ bringen einen riesigen Bretterverschlag mit auf die Bühne, der sich vom Grillplatz in eine Sauna verwandelt. Herrlich. Das Trio konnte in Basel außerdem viele Sympathiepunkte sammeln: immer für ein Späßchen bereit. Für deutsche Journalisten haben sie „Bara Bada Bastu“ sogar auf Deutsch gesungen. Viele ESC-Fans sind jedoch kritisch: „Schon wieder Schweden? Jetzt wären mal andere dran.“

2. Frankreich – „Maman“ von Louane

Frankreich

Die Grande Nation ist beim ESC schon lange nicht mehr grande. Seit unglaublichen 48 Jahren wartet Frankreich auf einen erneuten Sieg bei der Eurovision. 2025 soll es mit einem französischen Superstar klappen: Unsere westlichen Nachbarn schicken die 28-jährige Sängerin Louane mit „Maman“ ins Rennen. Eine gefühlvolle Ballade über ihre Mutter, die an Krebs starb. Louane, die bürgerlich Anne Edwige Maria Peichert heißt und aus der verarmten Kohlestadt Hénin-Beaumont stammt, entflieht früh mit Musik der heimischen Tristesse und steigt in Frankreich zur preisgekrönten Chansonsängerin auf. In Basel sind ihr Starallüren fremd. Bereitwillig posiert sie für Selfies mit Fans. Entwaffnend unprätentiös. Ihr gesangliches Können wird auf der ESC-Bühne durch eine aufwendige Inszenierung unterstützt. Louane steht in einem tanzenden Regen aus Sand, der auf sie herunterperlt. Perfekte Inszenierung oder am Ende zu viel des Guten? In einer der Proben verschluckte sich Louane beinahe an einem Sandkorn. Es wäre nicht das erste Mal, dass Frankreich zu kompliziert denkt und damit Siegchancen verspielt.

3. Finnland: „Ich komme“ von Erika Vikman

Finnland

Sie haben richtig gehört und gesehen: Die 32-jährige Finnin Erika Vikman singt auf der Bühne von Basel „Ich komme“ und reibt ihre Oberschenkel dazu an einem Mikrofonständer. Die Veranstalter der EBU wachen mit Argusaugen darüber, dass der Auftritt der finnischen Castingshow-Siegerin nicht zu obszön gerät. Puh. Trotzdem darf Vikman am Schluss ihrer dreiminütigen Selbstinszenierung auf einem explodierenden und überdimensionalen Mikrofonständer durch die Halle schweben. Orgastisch. Vikman (das ist ihr bürgerlicher und kein Künstlername) treibt es ziemlich bunt. Ihr Song macht nicht nur Spaß, sondern ist eine Hymne auf weibliche Lust und Selbstbestimmung. Die deutsch gesungene Zeile „Ich komme“ ist eine Anspielung auf den Umstand, dass in Finnland wegen eines Verbots viele Jahre lang nur ausländische Schmuddelfilme im Umlauf waren – darunter viele deutsche. Zu viel des Guten? Für den konservativen finnischen Präsidenten offenbar schon. Er unterstützt demonstrativ die Band KAJ, die allerdings für Schweden antritt. Für Erikas Fans dürfte das nur noch mehr Ansporn für den ein oder anderen Anruf im Televote sein. 

4. Österreich: „Wasted Love“ von JJ

Österreich

Er ist die große Überraschung des Wettbewerbs: Österreich schickt einen 24-jährigen Kontertenor nach Basel. JJ, der mit bürgerlichem Namen Johannes Pietsch heißt, ist der Sohn eines österreichischen IT-Fachmanns und einer philippinischen Köchin. Früh entdeckte der Sänger seine Liebe nicht nur zur klassischen Musik, sondern auch zum Pop und nahm an der Castingshow „The Voice UK“ teil. Seine düstere Nummer „Wasted Love“ ist eine Mischung aus Pop, Oper und Techno. Wenn JJ zu Stakkato spielenden Streichern die Stimmlage wechselt, ist die Verblüffung beim Publikum groß. Aus diesem zierlichen Körper kommen fantastische Töne. Die Zuschauer bekommen eine moderne Pop-Oper zu hören und zu sehen. Dazu wird JJ als wogender Seefahrer in Szene gesetzt, der den Widrigkeiten von Wind und Wetter trotzen muss. Da werden Erinnerungen an Wagner-Inszenierungen in Bayreuth wach. Manche Gemüter sind damit jedoch schnell überfordert. „Ich mag das Lied gar nicht“, ist von einigen Fans zu hören. Zu verkopft oder bombastisch gut? Europa hat die Wahl.

5. Niederlande: „C’est la vie“ von Claude

Niederlande

Holland versucht nach Skandal und Disqualifikation im vergangenen Jahr alles besser zu machen. Gefühl statt Radau und Herz statt Wut: Dafür steht der im Kongo geborene Sänger Claude Kiambe. Mit neun Jahren floh er mit seiner Mutter in die Niederlande und wurde in der Castingshow „The Voice Kids“ entdeckt. Ein Wunderkind, das in den Niederlanden längst zum Star geworden ist. Auf der Bühne von Basel singt der 21-jährige Claude seine französisch-englisch-niederländische Pop-Ballade „C’est la vie“. Die Redensart habe seine Mutter oft getätigt, wenn die Situation alles andere als rosig gewesen sei. Der Satz macht nicht nur Mut, sondern auch gute Laune. Claude verzichtet auf Pyrotechnik und Windmaschine und setzt auf eine Kamerafahrt ohne einen einzigen Schnitt – und das bei über 20 Kameras im Saal. Ein filmisch inszeniertes Meisterwerk. Stimmlich kommt Claude dabei an seine Grenzen. Erreicht er damit die Herzen von Jurys und Zuschauern? Verdient hätte er es.

„Dark Horses“ – die Außenseiter

Auch sogenannte „Dark Horses“, also Geheimtipps, werden beim ESC 2025 in Basel gehandelt. Dazu zählt Albanien und das Duo mit dem klangvollen Namen Shkodra Elektronike mit ihrem Song „Zjerm“. Der ist ein Hybrid aus Electro und Folklore, was beim ESC bekanntlich immer gut ankommt und spätestens beim Refrain auch die Liebe der Deutschen zu Marschmusik ansprechen wird. Genannt sei hier auch der Song „Espresso Macchiato“ aus Estland mit dem Sänger Tommy Cash. Nicht so sehr wegen seiner gesanglichen Qualitäten, sondern weil es Spaß macht, ihm zuzuschauen. Sein Spaghetti-Beine-Tanz – jetzt schon legendär.

Und wo landet Deutschland mit „Baller“ von Abor und Tynna?

Deutschland

Deutsche Fans in Basel schwanken zwischen Hoffen und Bangen. Alle wünschen sich, dass „Baller“ den ersehnten Platz in der linken Tabellenhälfte (erste 13 Plätze) erobern wird. Das Duo Abor und Tynna konnte mit seinem Auftritt im zweiten Semifinale manche Kritiker überzeugen. Feingeister werden sie nicht erreichen. Es ballert eben. Die Unterstützung im Hintergrund durch Mentor und Macher Stefan Raab scheint den Geschwistern gutzutun. Der hatte Lena 2010 geraten: „Geh raus und habe Spaß dabei.“ Das Ergebnis ist bekannt. So weit wird es in Basel nicht kommen. Aber mit jeder Probe wirkt das Duo, das aus Österreich stammt, sicherer. Es macht Spaß, Attila und Tünde (ihre bürgerlichen Namen) zuzusehen – und mitzutanzen. „Baller“ könnte eher Stimmen bei den Zuschauern als bei den Jurys holen. Da im Finale am Samstag aber zuerst Jury-Ergebnisse verlesen werden, dürfte es ein langes Bangen geben. Ob am Ende alles gut wird? „Wir werden uns mit den beiden nicht blamieren, das ist mir am wichtigsten“, sagt ein Fan in Basel. Ballern wir in die Samstagnacht.