„Nebel und Feuer“: Ein Buch, das niemand verlangt hat: Katja Riemann ist jetzt Schriftstellerin

Immer mehr Schauspieler wagen sich an den eigenen Roman, jetzt auch Katja Riemann. Lesen oder lassen?

Memoiren kann jeder. Wer oft und gern im Rampenlicht steht, erlebt viel und kann erinnerungssatt davon berichten. Doch was, wenn der Einfallsreichtum übersprudelt? Wenn das eigene Leben der Kunst zu viele Grenzen setzt?

Schauspielerinnen und Schauspieler haben in den vergangenen Jahren einen neuen Weg entdeckt, ihre Kreativität auszuleben: den Roman, die Gipfelwanderung der Literatur. Mit Geschichtenerzählen kennen sie sich aus, von Berufs wegen erfinden und entwickeln sie ihre Figuren, deren Eigenheiten und Lebenswelten, fast aus dem Nichts. Für die eigene Fantasie bleibt dennoch kaum Raum.

Einen Roman zu verfassen, bedeutet Selbstermächtigung. Getreu der Devise: Ich habe jahrzehntelang als Schauspielerin nur das gemacht, was andere vorgegeben haben, jetzt will ich selbst die Regie übernehmen. Und es birgt die Hoffnung auf ein Vermächtnis: „Verba volant, scripta manent!“ Der Staatsmann Caius Titus soll das einst vor dem römischen Senat gesagt haben. Gesprochenes sei demgemäß ohne Dauer, Geschriebenes aber bleibe bestehen.

Axel Milberg und Sky du Mont

Außerdem kann man das eigene Buch mit seinem bekannten Gesicht gut in Talkshows präsentieren und bei Lesungen, um so das Markenprofil zu schärfen. Aber kann diese neue Art der VIP-Belletristik auch überzeugen? Oder bleibt sie ein „Schreckensphänomen der Gegenwart“ („Neue Zürcher Zeitung“)? Ein kurzer Überblick, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Da ist etwa der Schauspieler und Synchronsprecher Sky du Mont, wegen seiner 77 Jahre gern als „lebende Legende“ bezeichnet. Er hat bereits sieben Romane und andere Bücher veröffentlicht. Zuletzt im Herder Verlag „Ich freu mich schon auf morgen“, in dem er Gedanken sammelt über das Altern und warum früher nicht alles besser war. Das erste Kapitel handelt von modernen Navis und „wie Straßenkarten die Institution Ehe gefährdeten“.

Der Schauspieler und ehemalige „Tatort“-Kommissar Axel Milberg hat vor gut fünf Jahren „Düsternbrook“ herausgebracht. Einen Roman über Heimat und Erwachsenwerden, angesiedelt in einem Kieler Villenviertel, in dem auch der echte Axel groß geworden ist. Leseprobe: „Und da stand ich, klein und dunkelblond auf grünem Grund und drehte mich, und die Welt drehte sich um mich.“ Die Kritiken pendelten zwischen „lohnende Zeitreise von einem originellen Kopf“ und dem Hinweis, Milberg begehe den Fehler, „seine eigenen Gedanken für die großen Fragen der Menschheit zu halten“.

Katja Riemann: Vielversprechender Beginn

Auch Caroline Peters („Ein anderes Leben“) und Jörg Hartmann („Der Lärm des Lebens“), Matthias Brandt („Blackbird“), Burkhart Klaußner („Vor dem Anfang“) und Ulrich Tukur („Die Spieluhr“ und „Der Ursprung der Welt“) haben sich eingereiht als Romanciers. Ein Ende ist nicht in Sicht. Der Erstling von Jasna Fritzi Bauer erscheint Anfang Mai, der dritte Roman von Christian Berkel Ende Mai. Seine Partnerin Andrea Sawatzki veröffentlicht ihr zweites Werk am 1. August.

Als Pate des Genres gilt Joachim Meyerhoff, der seit 2011 im Kölner Verlag Kiepenheuer und Witsch (Kiwi) von seiner Reihe „Alle Toten fliegen hoch“ bereits sechs Teile veröffentlicht hat. Unter so drolligen Titeln wie „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ und „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“. Kurze Mail an seinen Verlag, warum man immer wieder auf prominente Namen im Programm setze – bei Kiwi erscheinen auch Brandt, Bauer und Klaußner. Dazu könne man nicht viel sagen, lautet die knappe Antwort. Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich ihnen mit ihren Texten anvertrauen, würden genauso begleitet wie alle anderen Autorinnen und Autoren sonst auch.

„Sie steht mit dem Rücken zum Abgrund. Nackt“, beginnt der erste Roman von Katja Riemann vielversprechend. Die 61-jährige Schauspielerin und Sängerin hat sich als Heldin eine Musikerin namens Johaenne mit Haus auf dem Land ausgedacht. Nachdem der Mann ihres Herzens sie verlassen hat, will sie sich aus dem fünften Stock ihrer Mietwohnung stürzen. Praktischerweise lebt sie direkt neben einem Friedhof.

Wäre ihr Buch ein Film, spulte man bald vor

Warum ein Roman? Nun, es sei keine bewusste Entscheidung gewesen, antwortet Riemann in einer Mail an den stern, sie habe eher prokrastiniert, als sie ihr erstes Sachbuch „Jeder hat. Niemand darf“ verfasst habe. „Die Recherche und Akkuratesse im Sachbuch ist essenziell, und ich dachte, wie muss es sein, sich einfach etwas auszudenken?“ Angefangen habe sie bereits 2019.

Auf den ersten 80 Seiten verliert sich „Nebel und Feuer“ nach einem starken Auftakt in Beschreibungen und nicht immer stimmigen Metaphern. Statt einer packenden Handlung finden sich innere Monologe und Tagträume. Auch nach zweistündiger Lektüre weiß man nicht, warum einen das Schicksal dieser Johaenne interessieren sollte. „Wäre sie ein Auto, käme sie nicht durch den TÜV“, schreibt Riemann. Wäre ihr Buch ein Film, spulte man bald vor.

Schreiben sei im Vergleich zu ihrem Brotjob eine solitäre Aufgabe und Arbeit, die man überall machen könne, erklärt sie ihren Ausflug. „Mein Beruf findet ausschließlich in sehr großen Gruppen statt. Da war das geradewegs befreiend, als die Gruppe nur noch aus meinem Lektor Jürgen Hosemann und mir bestand“, sagt Riemann.

Bleibt die Frage, die man berühmten Kunstschaffenden immer gern stellt: Wie viel Persönliches steckt in ihrem Werk? „Diese Frage wurde mir im Laufe meiner Karriere auch zu fast jeder Rolle gestellt“, sagt Riemann. „Wir sind am Ende immer das Resultat des gelebten Lebens und Wissens, und natürlich ist es das, was auch beim Schreiben wirkt.“

Der Unterschied bestehe für sie nur im Medium. Als Schauspielerin spiele sie komplexe Figuren, als Autorin erzähle sie von ihnen. „Ich hatte diesbezüglich ein großes Reservoir an Erfahrung. Und Erfahrung nimmt Zweifel.“