Michaela Kaniber gilt als „Bauernflüsterin“ – für CSU-Chef Söder könnte sie nun in Berlin zur Schlüsselfigur werden. Ein tragischer Unfall überschattete ihren Aufstieg.
Ihre Karriere als Ministerin begann mit diesem Satz: „Zieh dir ein Dirndl an, du wirst Landwirtschaftsministerin“.
So erzählt Michaela Kaniber von ihrem Telefonat mit Markus Söder (CSU), als sie 2018 ins Kabinett des bayerischen Ministerpräsidenten gehoben wurde. Damals wurde sie Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus. Nun könnte sie bald wieder einen Anruf von Söder bekommen.
Eigentlich hatte Söder ihre Kandidatur für ein Bundesministerium schon kategorisch ausgeschlossen. Noch vor wenigen Monaten betonte er, dass die CSU-Minister in Bayern gebunden seien und für den Bund nicht zur Verfügung stünden. Doch Pläne vertragen sich nicht immer mit der Realität: Sein Vorhaben, Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner zum Bundeslandwirtschaftsminister zu machen, ging schief. Felßner zog seine Bewerbung kürzlich überraschend zurück, nachdem Kritik an seiner klimaschädlichen Agrarpolitik laut wurde und er Angriffe von Tierschutzaktivisten gegen seine Familie beklagte. Seitdem ist Kaniber als Ersatz im Fokus – in Unionskreisen gilt sie manchen schon als gesetzt.
Dabei sind die schwarz-roten Verhandlungen noch nicht einmal abgeschlossen. Über Personalien wolle man erst mit einem Koalitionsvertrag sprechen, heißt es. Es gehe schließlich erstmal um Inhalte. Aber Söder hatte diese Regel schon im November gebrochen, als er – bevor die Parteien überhaupt mit dem Wahlkampf begonnen hatten – über einen CSU-Landwirtschaftsminister sprach.
Bis vor Kurzem war Kaniber nur in Bayern bekannt. Jetzt könnte sie das neue Gesicht der CSU in Berlin werden. Es wäre ein beachtlicher Aufstieg in die erste Reihe der Spitzenpolitik, der auch die Machtverhältnisse innerhalb von Söders Partei verändern könnte. Das Bundesministerium ist wichtig für die Partei. Mit rund 100.000 Höfen und einem Produktionswert von 14 Milliarden Euro im Jahr 2022 ist der Freistaat Agrarland Nummer eins in Deutschland. Dass die CSU im Kabinett ist und nicht das Agrarministerium bekommt, ist für Söder keine Option. Wer ist die Frau, die Söder als Wunderwaffe für Berlin ins Spiel bringen könnte?
Die Wirtstochter aus Bayern
Geboren 1977 in Bad Reichenhall, ist Kaniber das mittlere von drei Kindern jugoslawischer Gastarbeiter. Sie wächst im Gasthaus ihrer Eltern auf und arbeitet dort, während sie als Steuerfachangestellte ihre Ausbildung macht. Mit 21 Jahren heiratet sie den Polizisten Thomas Kaniber. Heute wohnen sie in Bayrisch Gmain und haben drei Töchter.
Früh findet Kaniber ihren Weg in die Politik. 2005 beginnt sie, sich im Ortsverband der CSU in Bayerisch Gmain zu engagieren, 2011 wird sie dort Vorsitzende. 2013 zieht sie als Direktkandidatin im Berchtesgadener Land in den bayerischen Landtag ein. Eine Lokalzeitung beschreibt sie damals noch etwas abfällig als „quotenabholde Dreifachmama“.
Doch so ungern sie als Quotenfrau bezeichnet wird – im Gerangel um die Besetzung eines schwarz-roten Kabinetts geht es eben auch um die Geschlechterfrage. Der angehende Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat ein Frauenproblem, es drängen sich nicht allzu viele Christdemokratinnen für einen Job im Regierungsteam auf. Ausgerechnet Söder könnte ihm nun dabei helfen, zumindest annähernd die Parität im Kabinett zu erreichen.
Söder dürfte sie aber nicht nur wegen ihres Geschlechts für den Posten der Landwirtschaftsministerin im Auge haben. Anders als Merz mangelt es dem CSU-Chef nicht an geeigneten Frauen. Dorothee Bär etwa will Söder dem Vernehmen nach ebenfalls in Berlin am Kabinettstisch sehen.
Schon früh sprach sie sich für Söder aus
Kaniber ist eine leidenschaftliche Landwirtschaftsministerin. In der CSU nennt man sie „Bauernflüsterin“. Sie hat einige Bauernproteste erfolgreich gemanagt und hat das geschafft, was Christian Lindner (FDP) nie erreichen konnte: den Respekt der protestierenden Bauern zu gewinnen.
Kaniber gilt zudem als treue Söder-Anhängerin. Nachdem die CSU bei der Bundestagswahl 2017 mit 38,7 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis erzielt hatte, gehörte sie zu den Ersten innerhalb der Partei, die Horst Seehofer als Verantwortlichen ausmachten und sich für einen Neuanfang unter Söder aussprachen. Sie als Verstärkung in Berlin zu haben, könnte für Söder komfortabel sein. Und Kaniber würde es direkt in die Riege der potenziellen Söder-Nachfolgerinnen katapultieren.
Rückkehr nach Autounfall
Auch eine andere Episode aus Kanibers Amtszeit ist in Bayern vielen in Erinnerung. Nach einem schweren Autounfall im Jahr 2022 hatte die CSU-Politikerin längere Zeit eine Auszeit genommen. Eine 22-jährige Autofahrerin aus Österreich war damals aus ungeklärten Gründen in den Gegenverkehr geraten. Eine entgegenkommende 58-jährige Autofahrerin wich aus, geriet dabei ins Schleudern und kollidierte mit dem Dienstwagen der Ministerin.
Kaniber erlitt ernsthafte Verletzungen: Ein gebrochenes Brustbein und ein „schwer lädiertes Steißbein“, wie die Ministerin damals selbst erklärte. Als sie im Januar 2023 ins Politikgeschäft zurückkehrte, erklärte sie, die Taktung reduzieren zu wollen. Sie frage sich, „ob es richtig sein kann, dass wir zum Teil am Tag über 1000 Kilometer quer durch Bayern im Auto zurücklegen, um Termine wahrzunehmen“. In der Partei gilt ihr Umgang mit dem Unfall als „würdevoll“.
Michaela Kaniber hat in den letzten Jahren ihre politische Rolle immer wieder neu definiert – mal als Söders treue Unterstützerin, mal als Ministerin, die die Landwirtschaft in Bayern zu ihrem Markenzeichen gemacht hat. Auch deshalb dürfte sie nun als Bundesministerin gehandelt werden. Offen ist noch die Frage, ob sie wirklich die Durchsetzungskraft und Weitsicht besitzt, die für ein Ministeramt in Berlin notwendig wäre. Oder ob sie nur eine bequeme Wahl für Söder wäre, der eine treue Verbündete sucht, um die CSU in der Hauptstadt zu repräsentieren.