Presseschau: Vance in Grönland: „Der US-Präsident denkt in den Mustern des 19. Jahrhunderts“

Donald Trump wirbt seit Jahren dafür, dass die USA die Kontrolle über Grönland übernehmen. Sein Vizepräsident greift indes Verbündete in Europa weiter an. Die Pressestimmen.

US-Vizepräsident J.D. Vance hat bei einem Besuch in Grönland die umstrittenen Pläne von Donald Trump nach einer Übernahme des zu Dänemark gehörenden Territoriums befeuert und die dänische Regierung scharf angegriffen. Er denke, dass die Grönlander am Ende mit den USA zusammenkommen würden, sagte Vance bei einer Visite des US-Marinestützpunkts Pituffik auf der Insel vor Reportern. Die USA würden davon ausgehen, dass sich die Grönlander entscheiden, unabhängig von Dänemark zu werden, so Vance. „Und dann werden wir Gespräche führen.“

Ebenso wie bei der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar in Richtung Europa machte Vance in Grönland auch Dänemark schwere Vorwürfe. Dänemark habe nicht Schritt gehalten, Grönland sicher zu halten, sagte Vance. Grönland sei heute weniger sicher als noch vor einigen Jahrzehnten. „Unser Argument richtet sich wirklich gegen die dänische Führung, die zu wenig in Grönland und seine Sicherheitsarchitektur investiert. Das muss sich einfach ändern. Es ist die Politik der USA, dass sich das ändert.“ Er glaube, unter einem Sicherheitsschirm der USA werde Grönland viel besser dastehen als unter einem dänischen Sicherheitsschirm.

So kommentiert die Presse Trumps Grönland-Pläne

„Kölner Stadt-Anzeiger“: „Anfangs mag man gedacht haben, der Grönland-Gag zähle zum ‚Flood the zone with shit‘-Rezept der Trumpianer: So viel Gülle verbreiten, dass die Medien in ihrer Aufregung über die Umbenennung des Golf von Mexiko oder angebliche Annexionspläne für Kanada, Panama und Grönland absaufen und die handfesten Angriffe auf Sozial- und Rechtsstaat untergehen. Inzwischen aber wachsen die Zweifel, ob aus dem Witzkrieg doch ein Blitzkrieg werden kann. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein US-Präsident von innenpolitischen Problemen – die Trump reichlich anhäuft – mit Kanonendonner ablenkt.“

„Hessische/Niedersächsische Allgemeine“: „Mit Kriegsverbrechern paktieren, Verbündete verächtlich machen, freien Welthandel abschaffen und sich Rohstoffe sichern, die in ukrainischer Erde und unter dem Eis Grönlands lagern. Gibt es jemanden mit politischem Gewicht, der der US-Regierung zuruft: Haltet ein, Euer nationalistischer und imperialistischer Kurs schadet der ganzen Welt und damit am Ende Euch selbst? In den USA jedenfalls ist kaum jemand zu hören. Im Gegenteil: Je häufiger die Absurdität mit dem Filzstift des populistischen Autokraten zelebriert wird, desto mehr wird sie zur Gewohnheit. So dürfen Trump und in seinem Gefolge Vance weiterhin fast unbehelligt von Opposition oder gar landesweiten Bürgerprotesten unheilvoll wirken.“

„Handelsblatt“: „Der Präsident meint, was er sagt. Er will seinen Machtbereich ausdehnen – und wird nicht leicht davon abzubringen sein. Trumps Pläne sind eine direkte Bedrohung für die transatlantische Sicherheit. Eine Invasion eines friedlichen Landes, eine Aggression gegen einen engen Alliierten wie Dänemark droht bisher nicht. Trump wird mit wirtschaftlichem und politischem Druck versuchen, einen Deal mit Dänemark und Grönland zu schließen. Doch wenn daraus nichts wird? Wenn Trump vor der Wahl steht, sein Scheitern einzugestehen oder ein militärisches Wagnis einzugehen, wird es ernst. Die Europäer müssen alles tun, damit es nicht so weit kommt. Sie müssen zusammenhalten, Trump hinhalten, seiner Regierung Rohstoffkooperationen anbieten und, ja, auch Gespräche über die Unabhängigkeit Grönlands führen. All das, um Zeit zu gewinnen, bis der imperialistische Spuk in Washington irgendwann vorbei ist.“

„Stuttgarter Zeitung“: „Grönland, Kanada und Panama gehören zu den friedlichsten Ländern dieser Welt. Dass Donald Trump ausgerechnet diesen lange mit den USA befreundeten Staaten mit Annexion droht, klingt absurd. Das macht aber aus seiner Weltsicht heraus Sinn. Der US-Präsident denkt in den Mustern des 19. Jahrhunderts, in denen vermeintlich große Männer an der Spitze großer Mächte die Welt unter sich aufgeteilt haben. In dieser Perspektive haben alle drei Länder viel zu bieten. Panama ist strategisch von hohem Wert wegen des Kanals, der für wichtige Handelsströme genutzt wird. Kanada ist reich an Bodenschätzen. Grönland ebenfalls, zudem ist es militärisch bedeutsam. Die Betroffenen haben längst aufgehört, über die neoimperialistischen Lockerungsübungen Trumps zu lachen. Sie nehmen den gierigen Blick des ‚Make-America-Great-Again‘-Präsidenten zurecht ernst. Weil sie der Supermacht militärisch nicht viel entgegenzusetzen haben, setzen sie auf die Widerstandskraft ihrer Zivilgesellschaften. Sie wollen weder Amerikaner werden, noch diese als Besatzer im Land haben.“

„Frankfurter Rundschau“: „So wenig man den baldigen Einmarsch von US-Truppen auf dänischen Boden fürchten muss, so sehr liefert die Posse doch Putin Argumente dafür, die Besetzung der Krim und andere völkerrechtswidrige Angriffe zu relativieren. Am kleinen Grönland zeigt sich das große Problem, in das Trump den Westen bewusst steuert: Er zerrüttet die alten Bündnisse und stärkt so die autoritären Regime, die in ihrem Weltmachtstreben über einen zerstrittenen Westen nur jubilieren können.“

Internationale Pressestimmen:

„Pravo“ (Tschechien): „Selbst für eine Supermacht wie die USA erwächst nichts Gutes daraus, einen treuen Verbündeten vor den Kopf zu stoßen. Zwar kommt das Land auch ohne Dänemark aus, doch eine Supermacht ohne Verbündete ist weniger super. (…) Vielleicht applaudieren ungehobelte Rednecks, die nicht über ihre Farm hinausblicken, dem US-Vizepräsidenten J.D. Vance, weil er für amerikanische Interessen kämpft und die Europäer als Parasiten beschimpft. Doch in Wirklichkeit schadet Vance den US-Interessen wie kaum ein anderer. Denn eine Schwächung der transatlantischen Beziehungen schafft Raum für Russland, das gerne expandieren und stärker werden möchte. Und in Moskau sagt man ganz offen, dass die russische Welt keine Grenzen kennt.“

„Neue Zürcher Zeitung“ (Schweiz): „Die US-Administration betont, Grönland werde von zahlreichen Ländern bedroht. Amerika sei daher als Beschützer gefragt. Tatsächlich nehmen Russland und China in der Arktis verstärkt Einfluss. Wenn sich die Grönländer aber von jemandem direkt bedroht fühlen, dann sind dies primär die USA. Trump dachte sogar laut darüber nach, die Insel militärisch zu erobern. (…) Die Abneigung der Bevölkerung gegenüber Amerika scheint jene gegenüber Dänemark zu übertreffen. Lange wurden die USA als die bessere Alternative zur verhassten Kolonialmacht gesehen. Doch hat es Trump innerhalb weniger Monate geschafft, diese positive Haltung zunichtezumachen. (…) Das Hauen und Stechen zwischen Washington, Nuuk und Kopenhagen erfreut indes China und Russland. Sie manifestieren ihre Ambitionen in dieser Weltgegend zunehmend selbstbewusst. Russland hat seine militärische Präsenz in der Arktis erheblich ausgebaut. China investiert massiv in Rohstoffförderung und neue Handelsrouten. Den autoritären Großmächten kommt es gelegen, wenn das westliche Lager über Kreuz liegt“