Für manche ist die Trennung eine Erleichterung, für andere eine Katastrophe. Forscher wollten wissen, wie sich das Ende anfühlt. Für kriselnde Partnerschaften gibt es einen überraschenden Tipp.
Das Paar kämpft darum, die Beziehung zu retten. Doch irgendwann wird klar: Es geht nicht mehr zusammen. Gefühle wie Erleichterung, aber auch Enttäuschung, Frust, Trauer, Angst bis hin zu Groll und Verbitterung stellen sich ein. „Eine Trennung ist ein kritisches und höchst stressiges Lebensereignis“, sagt der Psychologe und Verhaltenstherapeut Guy Bodenmann. Er ist Professor für Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Paare/Familien an der Universität Zürich. Aber wie entwickeln sich Beziehungs- und Lebenszufriedenheit angesichts dieses einschneidenden Ereignisses? Dieser Frage ist Janina Bühler auf den Grund gegangen.
Die Juniorprofessorin für Persönlichkeitspsychologie und psychologische Diagnostik am Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat untersucht, ob die Zufriedenheit in romantischen Beziehungen systematisch abnimmt, wenn eine Trennung bevorsteht. Dazu hat sie gemeinsam mit Ulrich Orth von der Universität Bern Datensätze mit insgesamt 11.295 Personen aus vier repräsentativen Langzeitstudien aus Deutschland, Australien, Großbritannien und den Niederlanden analysiert. Bühler und Orth haben die Studie Anfang März veröffentlicht.
Kurz vor der Trennung sinkt die Zufriedenheit drastisch
Während der Langzeitstudien wurden die Teilnehmenden regelmäßig zu ihrer Beziehung und ihrem Leben befragt. „Das heißt, die Aussagen sind nicht retrospektiv entstanden, sondern wir können genau verfolgen, wie es zu der Trennung gekommen ist“, erklärt Bühler. Eine Verzerrung durch Rückschau sei so nicht möglich, da die Personen zum Befragungszeitpunkt noch nichts von ihrer Trennung wussten.
Ein Ergebnis: Kurz vor der Trennung sinkt die Beziehungszufriedenheit stark. Klingt logisch? War bislang so aber nicht erforscht. Dieser Rückgang ist in zwei Phasen unterteilt, wie Bühler herausgefunden hat: In der präterminalen Phase nimmt die Beziehungszufriedenheit leicht ab. In der terminalen Phase kurz vor der Trennung sinkt die Zufriedenheit dagegen abrupt. Diese terminale Phase beginnt im Durchschnitt etwa ein bis zwei Jahre vor der Trennung.
Bühler verglich auch die Beziehungszufriedenheit der Menschen, die sich trennten, mit Kontrollgruppen, die zusammenblieben. Diese Kontrollgruppen waren etwa gleich groß wie die Gruppen derer, die sich trennten. „Sonst könnte es sein, dass völlig andere Gründe das Muster der terminalen Phase hervorrufen“, erklärt die Juniorprofessorin, die Ende Februar mit dem Rising Star Award der Association for Psychological Science (APS) ausgezeichnet wurde. Interessant dabei: In der präterminalen Phase gibt es keinen Unterschied zwischen den Menschen, die sich trennen, und denen, die zusammenbleiben. Der Unterschied zeigt sich erst in der terminalen Phase.
Die meisten Paare gehen zu spät in die Therapie
Unmittelbare Erkenntnisse für die Praxis ließen sich aus dieser Studie noch nicht ableiten, erklärt Bühler, die selbst auch Paartherapeutin ist. Sie weiß aus Erfahrung: Die meisten Paare gehen in die Therapie, wenn die terminale Phase bereits begonnen hat, oft sogar am Ende dieser Phase, „wenn es also eigentlich schon zu spät ist“. Ziel müsse es sein, erste Symptome vorher zu erkennen und Paare für die Therapie oder eine Beratung zu begeistern. „Das könnte zumindest dazu beitragen, dass die terminale Phase sich nicht verselbständigt“, sagt Bühler.
Denn wozu das führt, zeigt ein Blick auf die Statistik – zumindest was die Scheidungen betrifft. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland durch richterlichen Beschluss rund 129.000 Ehen geschieden. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) sank die Zahl der Scheidungen immerhin gegenüber dem Vorjahr um 8.300 oder 6,1 Prozent und damit stärker als im Jahr 2022 (minus 3,8 Prozent zum Vorjahr). Zudem ließen sich 2023 rund 1.300 gleichgeschlechtliche Paare scheiden. Gleichgeschlechtliche Paare, die in einer zuvor eingetragenen Lebenspartnerschaft lebten, können diese nicht durch Scheidung, sondern durch Aufhebung beenden. 2023 wurden mit rund 700 Aufhebungen von Lebenspartnerschaften etwa 200 oder 19,4 Prozent weniger erfasst als im Vorjahr.
Es beginnt mit Nörgeln
Paartherapeut Bodenmann hat typische Signale und Abläufe kurz vor einer Trennung festgestellt: Häufig beginne es mit Kleinigkeiten, die eine Person (in der Tat mehrheitlich die Frauen) nerven. Sie nörgelt, ist zunehmend genervt, er mauert und zieht sich zurück in steter Erwartung eines neuerlichen Angriffs. „Gegen Schluss gibt es richtig Kritik, gepaart mit Erniedrigungen, Provokationen, Drohungen und die Beziehung steigert sich immer mehr ins Negative“, sagt der Forscher.
Bodenmann vergleicht diese Negativspirale mit einem Bach, der zum Fluss und zum Strom wird. Ein Bächlein lässt sich noch gut steuern oder umleiten, der Fluss wird schon schwierig, der Strom ist aussichtslos. Je früher man also einschreitet und dem Abwärtstrend entgegenwirkt, desto eher lässt sich eine Beziehung retten.
Streitet euch!
Wie das funktioniert? „Streiten!“, lautet Bodenmanns Rezept. Das ließe sich durchaus üben, vorausgesetzt man hat schon ein gewisses Problembewusstsein entwickelt. Wer das trainieren will, für den bietet Bodenmann mit seinem Team sogar Online-Programme an. Bei einem „guten“ Streit gelte es, Ich-Botschaften zu senden, konkrete Situationen oder Verhalten und Gefühle zu benennen.
Bühler schlägt vor, sich regelmäßig zu fragen: „Wo stehe ich denn gerade in meiner Beziehungszufriedenheit auf einer Skala von eins bis zehn?“ Solange es die acht ist, muss man sich Bühler zufolge keine Sorgen machen, aber bei einer sieben oder unter sieben wird es kritisch. Bühler rät dazu, diese Einstufung mit dem Partner oder der Partnerin abzugleichen und gemeinsam zu diskutieren, was sich tun ließe, um die Zufriedenheit zu verbessern.