Schuldenbremse: Die Reform ist richtig, aber 500 Milliarden sind erst der Anfang

Die heute beschlossene Reform der Schuldenbremse ist richtig. Doch wie Friedrich Merz sie zustande kommen ließ, zeugt von keinem guten Stil.

Zwei Jahre dauerten die Beratungen zur Einführung einer Schuldenbremse im Grundgesetz. Im Jahr 2009, wenige Monate nach Ausbruch der Weltfinanzkrise, wurde sie schließlich von Bund und Ländern beschlossen. Gut 16 Jahre war sie in Kraft, die meiste Zeit davon galt sie in der öffentlichen Diskussion als Erfolg – Deutschland als Garant der Stabilität in Europa, das war meist die Erzählung. Sie war immer etwas überzeichnet, aber bei den meisten Menschen verfing sie.

Wenig mehr als zwei Wochen und einige atemberaubende politische Winkelzüge hat es gebraucht, um diese Schuldenbremse im Grundgesetz, wenn schon nicht abzuschaffen, so doch wenigstens wieder auszuhebeln. Politik ist immer mehr als nur das Lösen von Sachfragen – es geht immer auch um Macht, um Ministerien, um Bündnisse und Karrieren, und manchmal geht es auch um den Stil. Die heute beschlossene Reform der Schuldenbremse ist richtig und sogar überfällig, sie war notwendig, um nach der Bundestagswahl überhaupt eine handlungsfähige neue Regierungskoalition bilden zu können. Und doch zeugte das Zustandekommen dieser Reform heute von keinem guten Stil – ja, gemessen an der Tragweite der Entscheidung war der heutige Tag historisch, aber das Verfahren war unwürdig.

Schuldenbremse ade: Sondervermögen muss erst mal ausgegeben werden

Friedrich Merz kann jetzt seine Regierungskoalition ausverhandeln und er kann dies tun mit dem größten finanziellen Mandat, das wahrscheinlich je ein Bundeskanzler aufgetragen bekommen hat: Nicht nur genießt er alle Freiheiten, die Bundeswehr ab diesem Jahr mit deutlich mehr Geld und mehr Gerät auszustatten. Er hat als künftiger Regierungschef auch noch die Pflicht – und das unterscheidet ihn von all seinen Vorgängern – mit dem neuen Sondervermögen für Infrastruktur innerhalb von zwölf Jahren sage und schreibe eine halbe Billion Euro zusätzlich ins Land zu investieren. Oder zumindest die richtigen Grundlagen dafür zu schaffen.

Und hier beginnt für Merz erst die eigentliche Aufgabe seiner kommenden Regierungszeit: Das Land und seine Verwaltung so aufzustellen, dass es überhaupt in der Lage ist, so viel Geld innerhalb so kurzer Zeit zusätzlich und sinnvoll zu verbauen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre lehren nämlich das Gegenteil: Alle größeren Investitions- und Konjunkturprogramme brauchten Jahre, um in Gang zu kommen – bei manchen wie dem Digitalpakt Schule stecken große Teile des Geldes auch nach Jahren noch nicht in Rechnern und Routern, sondern in Aktendeckeln und Projektanträgen.

Reformen, die Deutschland braucht

Um die 500 Milliarden für Infrastruktur und Klimaschutz sinnvoll auszugeben, braucht Deutschland echte Reformen an seinen Strukturen: in der öffentlichen Verwaltung und bei den Trägern der gesetzlichen Sozialkassen. Der Staat braucht schnellere und effizientere Planungs- und Bewilligungsverfahren, er braucht an manchen Stellen wahrscheinlich sogar mehr Personal und besser qualifiziertes Personal. Aber zugleich wird er sich an vielen Stellen auch zurückziehen müssen.

Denn das viele Geld ist nur dazu geeignet, einen wirklich großen Wachstumsschub im Land auszulösen, wenn der Staat dieses Wachstum auch zulässt. Wenn er etwa weitere private Investitionen von Unternehmen nicht ersetzt durch öffentliche, sondern wenn er diese sogar zusätzlich noch anreizt. Viele Milliarden aus dem Sondervermögen sind gedanklich schon jetzt ausgegeben, für die Bahn, für neue Straßen, für Schulen, den Ausbau der Stromnetze – der Bedarf ist überall riesig.

Die Aufgabe und die Kunst für Friedrich Merz wird in den kommenden vier Jahren aber darin bestehen, zu entscheiden, wo der Staat nicht investiert – wo er sich zurückhält, um privaten Investoren den Vorrang zu lassen. Oder wo er durch attraktivere Rahmenbedingungen dafür sorgt, dass nicht der Staat subventionieren und investieren muss, sondern private Unternehmen diese Aufgabe übernehmen, weil sie für sich darin ein attraktives Geschäft entdecken. Erst dann wird aus den 500 Milliarden ein wirkliches Wachstumspaket, das das Land nach vorne bringt.