Staatsanwaltschaft lehnt Einstellung von Verfahren gegen Querdenken-Gründer ab

Im Prozess gegen den Gründer und Organisator der sogenannten Querdenken-Bewegung, Michael Ballweg, hat die Staatsanwaltschaft eine vom Landgericht Stuttgart vorgeschlagene Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit abgelehnt. Damit läuft das Verfahren zunächst weiter, wie das Gericht am Montag mitteilte. Es sind noch 25 Verhandlungstage bis Oktober angesetzt, Prozessbeginn war im vergangenen Oktober.

Hätte die Staatsanwaltschaft der Einstellung des Verfahrens zugestimmt, hätte die Staatskasse die Verfahrenskosten und Auslagen von Ballweg tragen müssen. Außerdem hätte dieser womöglich Entschädigungsansprüche gehabt.

Die Staatsanwaltschaft wirft Ballweg in der Anklage versuchten Betrug in 9450 Fällen sowie versuchte und vollendete Steuerhinterziehung vor. Nach Überzeugung der Anklage warb der Gründer der Gruppe Querdenken 711, die sich in der Coronapandemie zu einer Keimzelle der Querdenkerszene entwickelt hatte, Gelder ein und verwendete diese für sich.

Nach dem vom Gericht am Montag gezogenen Zwischenfazit rief Ballweg wohl tatsächlich zu Schenkungen auf. Es sei aber zweifelhaft, inwieweit ihm nachgewiesen werden könne, dass er sich vorbehalten habe, eingeworbene Gelder teilweise für sich zu verwenden. Es brauche dafür äußere Tatsachen – bislang sei aber nicht nachweisbar, dass Ballweg Geld wirklich privat genutzt habe.

Bei den Schenkungen geht es um mehr als 575.000 Euro. Laut Gericht ist bei einem Großteil des Betrags schlicht nicht aufzuklären, was mit dem Geld passierte. So habe er mehr als 272.000 Euro in bar von dem für die Schenkungen eingerichteten Konto abgehoben. Weitere 55.000 Euro habe er auf ein Kryptowährungskonto weitergeleitet, teils aber mit dem Überweisungsbetreff „QD711“, was erstem Anschein nach gegen eine zweckwidrige Verwendung spreche, befand das Gericht.

Weitere 54.500 Euro gingen auf Privatkonten des Angeklagten, wurden aber wohl auf Kryptokonten weitergeleitet. Wofür das Geld letztlich genutzt wurde oder ob es noch existiert, bleibe unklar. Die Aktenlage spreche derzeit dagegen, dass hierzu weitere Aufklärung möglich sei. Bei den übrigen Beträgen sei das Geld wohl im Zusammenhang mit der Querdenkerszene verwendet worden. Dies gelte etwa für etliche Überweisungen des Angeklagten an Privatpersonen oder an eine vom Angeklagten eingerichtete Familienstiftung.

Auch beim Vorwurf der Steuerhinterziehung sieht das Gericht demnach erhebliche Zweifel. Die Spendengelder seien wohl nicht als gewerbliche Einkünfte zu werten. Denn Demonstrationen oder gesellschaftlicher Protest stellen demnach keine Teilnahme am Wirtschaftsverkehr dar. Daran ändere auch nichts, dass der Angeklagte auf Anregung seines Steuerberaters zunächst trotzdem ein Gewerbe angemeldet habe, welches später rückwirkend wieder abgemeldet worden sei.

Zudem habe er darauf vertrauen können, dass sein langjähriger Steuerberater die notwendigen Steuererklärungen abgebe. Da Ballweg den Steuerberater im Prozess nicht von der Schweigepflicht entband, lässt sich nicht aufklären, warum dies unterblieben war. Im Raum stehe allenfalls noch eine Hinterziehung von 2112,18 Euro an Steuern. In diesem Zusammenhang wäre für einen entsprechenden Tatnachweis aber noch eine längere Beweisaufnahme erforderlich.