Meinungsbildung: Eisbären im Zoo – Ist das gut oder schlecht?

Ab Mittwoch dürfte der kleine Eisbär zum Publikumsmagneten im Karlsruher Zoo werden. Doch die Meinungen über Sinn und Zweck von Eisbärzucht in Tierparks gehen auseinander.

Einen Blick auf den kleinen Eisbären können Besucherinnen und Besucher des Karlsruher Zoos ab Mittwoch erhaschen. Er gehört zu einer Art, die laut Roter Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als „gefährdet“ gilt. Der Zoo sieht in dem Jungtier daher einen Botschafter für Arten- und Klimaschutz. Kritiker hingegen beanstanden die Haltung von Eisbären in Zoos. Ein Überblick:

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Der Zoologische Stadtgarten Karlsruhe, der einen Eisbären im Logo hat, ist Teil der Europäischen Erhaltungszuchtprogramme. Züchtungen sind laut Zootierarzt Marco Roller wichtig, um schrumpfende Bestände in freier Wildbahn eines Tages zu stützen. „Wenn wir keine Reservepopulation haben, dann vergeben wir eine Chance.“ Dann könne man im Bedarfsfall nicht darauf zurückgreifen. 

Wenn Tiere ausgewildert werden sollen, müssten sie gezielt auf das Leben im ursprünglichen Habitat vorbereitet werden, erklärte Roller der Deutschen Presse-Agentur. Auf den kleinen Eisbären jetzt trifft das also nicht zu. 

Er sei aber Teil einer Art, bei der zwei große Probleme der heutigen Zeit zusammenkämen, sagte Roller: die Klimakrise sowie die Biodiversitäts- und Artenkrise. „Deswegen ist der Eisbär auch im Zoo eine Botschaftertierart, um auf diese Krisen unserer Zeit aufmerksam zu machen.“ Im Vergleich zu anderen bedrohten Tierarten sei die Reaktion der Menschen auf Eisbären emotionaler, bei ihnen sei die Auswirkung damit größer, ergänzte Zoosprecher Timo Deible.

Polar Bears International, ein Team von Naturschützern, Wissenschaftlern und Freiwilligen, schreibt auf seiner Internetseite, nur wenige Menschen könnten Eisbären in der Natur sehen – aber Millionen täten es in Zoos. Diese gelten als vertrauenswürdig und fungierten so als Forschungs- und Bildungszentren.

Moderne Zoos hielten die Tiere neugierig und beschäftigt. Sie nutzten die besten veterinärmedizinischen, ernährungs- und verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnisse, um das Wohlbefinden der Tiere zu maximieren.

Doch weiter heißt es: „Die Rolle eines modernen Zoos geht weit über die bloße Zurschaustellung von Tieren und deren körperliche Gesunderhaltung hinaus.“ Forschungen vom Hörbereich der Bären bis hin zu Tests neuer Ortungsgeräte helfen auch Fachleuten, die mit Eisbären in freier Wildbahn arbeiten. 

Auch Wildtierökologe und Mitglied der IUCN-Spezialistengruppe für Eisbären Gregory Thiemann schreibt mit Blick auf Studien in Einrichtungen des europäischen Zooverbands Eaza: „Die Erforschung von Eisbären in Zoos und Aquarien kann uns helfen, die Beziehungen zwischen Klima, Meereis und der Ökologie der Eisbären zu verstehen und zu quantifizieren.“ 

Zudem ermöglichten Eisbären in der kontrollierten Umgebung von Zoos und Aquarien wichtige Vergleiche mit ihren Artgenossen im natürlichen Lebensraum – etwa in Bezug auf Mechanismen der Schadstoffaufnahme und -anreicherung sowie die Rolle der Ernährung und Umweltfaktoren.

KONTRA

Hingegen wenden sich Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen gegen die Haltung von Eisbären in Zoos. Dort könnten die Tiere den Großteil ihrer natürlichen Verhaltensweisen nicht ausleben, erklärte Kerstin van Kan vom Tierschutzbund. So legten Eisbären etwa pro Stunde bis zu 4 Kilometer und pro Tag bis zu 50 Kilometer zurück. Zumeist gebe es keinen Naturboden, sondern häufig Beton. Die Wasserbecken seien oft zu klein mit zu geringer Tiefe. 

„Eisbären sind perfekt an arktische Verhältnisse angepasst, ertragen strenge Temperaturen, jagen und legen viele Kilometer im natürlichen Lebensraum zurück“, erläuterte van Kan. „All dies können und müssen sie im Zoo nicht.“

Oft zeigten die Eisbären im Zoo Verhaltensstörungen wie ständiges Hin- und Herlaufen, Schwenken des Kopfes oder das Schwimmen der immer gleichen Strecke. Dies seien deutliche Indizien für anhaltendes und erhebliches Leiden der Tiere. „Ebenso ist die Jungtiersterblichkeit trotz jahrzehntelanger Haltungserfahrung weiterhin sehr hoch“, so van Kan. Der kleine Eisbär in Karlsruhe hatte einen Zwilling, der kurz nach der Geburt starb. 

„Angesichts der vielfältigen Probleme, die mit der Haltung von Eisbären in Zoos einhergehen, sollten Zoos künftig auf Haltung und Zucht dieser Tierart verzichten“, fordert van Kan. Nur der Schutz des Lebensraums in der Arktis sowie der Kampf gegen den Klimawandel seien die einzig erfolgversprechenden Möglichkeiten, um Eisbären langfristig vor dem Aussterben zu bewahren.

In Gefangenschaft geborene Eisbären könnten auch nicht ausgewildert werden, teilt die Tierrechtsorganisation Peta mit. „Vielmehr dienen Jungtiere im Zoo als Kassenschlager“, kritisierte die Peta-Fachreferentin für Tiere in der Unterhaltungsbranche, Yvonne Würz.

Dass sie Artenschutz-Botschafter seien, bezeichnete Würz als Scheinargument. Die meisten Menschen änderten deswegen nichts, sagte Würz der dpa. Es gehe darum, einen schönen Tag im Zoo zu haben und niedliche Tiere zu sehen. 

Auch dass man beim Eintritt in Karlsruhe einen freiwilligen Artenschutz-Euro spenden kann, ist aus ihrer Sicht eher „Ablasshandel“. Verglichen mit den Ausgaben und Kosten eines Zoos sei das nur ein sehr kleiner Anteil.

Sind die ehemaligen Lieblinge der Besucherinnen und Besucher einmal erwachsen, würden sie üblicherweise auch international zwischen Zoos zu Zuchtzwecken umhergereicht und gerieten dann oft in Vergessenheit, kritisierte Würz. „Diese Transfers sind ein enormer Stressfaktor für die Tiere.“