Durchbruch bei Sondierungen: Union und SPD wollen Koalitionsverhandlungen starten

Mit dem erfolgreichen Abschluss der Sondierungsgespräche am Samstag ist eine schwarz-rote Regierung wahrscheinlicher geworden. Die Parteivorstände von CSU und SPD gaben am Sonntag grünes Licht für Koalitionsverhandlungen, bei der CDU soll am Montag darüber befunden werden. In schwierigen Fragen etwa in der Migrationspolitik und dem Bürgergeld bewegten sich Union und SPD aufeinander zu. Parteiintern kam jedoch jeweils auch Kritik. Zudem braucht es für das finanzpolitische Vorhaben der Sondierer die Zustimmung der Grünen, die dies bislang ablehnen.

Vereinbart haben CDU/CSU und SPD unter anderem die Zurückweisung auch von Asylsuchenden an Deutschlands Grenzen. Dies soll „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ geschehen. CDU-Chef Friedrich Merz schloss deutsche Alleingänge dennoch nicht aus. „An erster Stelle steht für mich die Sicherheit unseres eigenen Landes“, sagte er am Sonntag.

Auch in weiteren migrationspolitischen Punkten trägt das Sondierungspapier vor allem die Handschrift der Union: Der Familiennachzug für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte soll ausgesetzt und bei Doppelstaatlern der mögliche Entzug der Staatsbürgerschaft bei schweren Straftaten geprüft werden. Die SPD konnte sich laut Parteichef Lars Klingbeil mit dem Erhalt der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts mit kürzeren Einbürgerungsfristen durchsetzen.

In Teilen der SPD sorgten die Zugeständnisse beim Thema Migration für Unmut. „Besonders der geplante Entzug der Staatsbürgerschaft und die damit verbundene Schaffung einer Staatsbürgerschaft zweiter Klasse ist sowohl sachlich als auch politisch höchst problematisch und mutmaßlich verfassungswidrig“, sagte etwa der Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion, Tim Klüssendorf.

Eine Einigung gab es auch beim Bürgergeld. Merz zufolge soll daraus wie von der Union gefordert eine neue „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ werden. Leistungsbeziehern, die jegliche Arbeitsaufnahme verweigern, sollen demnach künftig alle Leistungen vollständig entzogen werden. Zugeständnisse der Union an die SPD gab es insbesondere bei der Verlängerung der Mietpreisbremse und der Stabilisierung der Renten.

Die CSU setzte nach Angaben von Parteichef Markus Söder ihrerseits die Ausweitung der Mütterrente durch. Der Bayer hob zudem eine Erhöhung der Pendlerpauschale, die Absenkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und die Wiedereinführung der Subventionierung von Agrardiesel für die Landwirtschaft positiv hervor.

Diese Ausgabenerhöhungen sowie fehlende Vereinbarungen zu einer Rentenreform kritisierte die Chefin der sogenannten Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, als „unverständlich“. „Besser wäre es gewesen, ein Signal an die Bevölkerung zu senden, dass wir alle auf etwas verzichten müssen, wenn wir künftig deutlich mehr Geld in die Verteidigung stecken müssen“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Scharfe Kritik an diesen „Wahlgeschenken“ kam auch von den Grünen. Union und SPD wollten offenbar die Schuldenbremse reformieren, „um Wahlversprechen zu finanzieren“, sagte Ko-Parteichefin Franziska Brantner. Die nötige Zustimmung der Grünen für die Reform sei nun „Stück weiter“ weg. Stattdessen müsse der Klimaschutz viel stärker in den Fokus rücken.

Union und SPD hatten am Dienstag bereits ein umfangreiches Finanzpaket vereinbart, das neben weitreichenden Ausnahmen von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben auch ein neues Sondervermögen im Umfang von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur vorsieht. Für die dafür erforderlichen Verfassungsänderungen, die noch der alte Bundestag vornehmen soll, ist dort und im Bundesrat jeweils eine Zweidrittelmehrheit und somit die Zustimmung der Grünen erforderlich.

Merz stellte den Grünen in Aussicht, „Maßnahmen für den Klimaschutz“ im Finanzpaket aufzunehmen. Ohnehin sehe er große Überschneidungen mit der Öko-Partei: Viele der Vorhaben hätten die Grünen selbst in der vergangenen Wahlperiode vorgeschlagen, sagte er. Insbesondere der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte für schuldenfinanzierte Investitionen in Industrie und Infrastruktur geworben.

Merz‘ Kurs in der Schuldenfrage stößt in den eigenen Reihen allerdings auch auf Unverständnis. Scharfe Kritik äußerte etwa der CSU-Ehrenvorsitzende und langjährige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Mit der Bereitschaft zur massiven Aufnahme neuer Schulden habe die Union sich des „Wortbruchs“ schuldig gemacht, sage er der „Bild am Sonntag“.