Der Untersuchungsausschuss zum Rauswurf der Staatssekretärin Messari-Becker aus dem Wirtschaftsministerium befragt erstmals die Professorin selbst. Einmal kommen ihr die Tränen.
Sieben Monate nach ihrer Entlassung hat die frühere Staatssekretärin Lamia Messari-Becker vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags erneut alle Vorwürfe gegen sich zurückgewiesen. Ihr früherer Chef, Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD), habe mit falschen Behauptungen „großen Schaden angerichtet“ – für sie, ihre Gesundheit und ihre Familie, sagte die parteilose Bauphysik-Professorin als erste Zeugin.
Kurzzeitig kamen ihr in der Befragung die Tränen. Sie warf Mansoori vor, ohne vorherige Aufklärung und Belege ihren in 30 Jahren aufgebauten Ruf als Wissenschaftlerin mit einer Pressemitteilung „in einer medialen Sekunde zerstört“ zu haben.
Kurz nachdem sie von ihrer Entlassung erfahren habe, sei ihr eine „unheilbare Krankheit“ attestiert worden, ergänzte Messari-Becker während einer ganztägigen Vernehmung an der Seite ihrer Anwältin als Zeugenbeistand. Am meisten sorge sie sich um ihre Tochter, die im vergangenen Jahr Abitur gemacht hatte: „Sie hat Schuldgefühle, die sie mental zerreißen.“
Minister: Außerdienstliches „Fehlverhalten“
Wirtschaftsminister Mansoori hatte Messari-Becker im Juli 2024 mit der öffentlichen Erwähnung eines außerdienstlichen, nicht hinnehmbaren „Fehlverhaltens“ entlassen, ohne dies je zu erklären. Laut einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wirft Mansoori Messari-Becker vor, in einem Elterngespräch an der Schule ihrer Tochter mit ihrer Position als Staatssekretärin Druck für eine bessere Note beim Abitur ausgeübt zu haben.
Messari-Becker wies dies in dem parlamentarischen Ausschuss erneut als falsch zurück: „Der Vorwurf einer Einflussnahme auf die Note ist absurd.“ Der CDU-Abgeordnete Holger Bellino hielt ihr jedoch vor, sie solle in dem Elterngespräch gesagt haben, dass sie bei der Notengebung eine „Exit-Tür“ im Rahmen des rechtlich Möglichen erwarte. Messari-Becker bezeichnete auch dies als unzutreffend.
Ihre Tochter habe in ihren schriftlichen Abiprüfungen ausgezeichnete Noten, aber in ihrer mündlichen Prüfung in Geschichte lediglich 9 von 15 Punkten bekommen. Nur um dies zu verstehen, habe ihre Tochter um das Gespräch mit Lehrern gebeten, sagte die einst vom weltbekannten Thinktank Club of Rome als Mitglied aufgenommene Bauphysik-Expertin.
„Streitbare Pressemitteilung“
Im September 2024 hatte Mansoori im Landtag eingestanden, es wäre besser gewesen, seine „streitbare Pressemitteilung“ vom Juli zu ihrem Rauswurf knapper zu halten. Allerdings sei seine Entscheidung auch nicht wegen eines einzelnen Sachverhalts gefallen. Generell können sich Minister von Staatssekretären ohne Angaben von Gründen trennen.
Laut Aktenvermerken des Wirtschaftsministeriums, die im Beschluss des Verwaltungsgerichts zitiert werden, soll Messari-Becker auch versucht haben, sich bei einem Zahnarzt vorzudrängeln, die Aufstockung eines Nachbargebäudes neben ihrem Privathaus zu verhindern und den Start eines Flugzeugs zu verzögern, um noch einsteigen zu können.
Messari-Becker: Auch weitere Vorwürfe falsch
Messari-Becker wies auch diese Vorwürfe allesamt als falsch zurück. Sie habe keine besondere Behandlung bei dem Zahnarzt angemahnt. Die Baugenehmigung ihres Nachbarn habe sie nicht beeinflussen wollen – diese sei schon zwei Jahre zuvor erteilt worden. Sie habe hier nur nach einer Kontrollvermessung gefragt. Beim Flugzeug habe sie eine teure Umbuchung vermeiden wollen, eine Mitarbeiterin daher bei der zuständigen Fachabteilung ihres Ministeriums nach dem Flugstatus fragen lassen und tatsächlich die Maschine wegen einer Verspätung noch rechtzeitig erreicht.
Ihrem einstigen Chef Mansoori warf die parteilose Bauingenieurin Messari-Becker vor, er habe ihr als Staatssekretärin wiederholt nahegelegt, in seine Partei, die SPD, einzutreten. Andernfalls verliere sie ihren Job. Noch nach ihrer späteren tatsächlichen Entlassung aus einem vorgeblich anderen – unzutreffenden – Grund habe Mansoori in ihrem privaten Umfeld nach weiteren möglichen Verfehlungen aus seiner Sicht nachforschen lassen.
Ungeeignete Wörter für den Landtag?
Die einstige Quereinsteigerin in die Politik kritisierte zudem das Wirtschaftsministerium: Sie habe dort unklare Zuständigkeiten, maßlos überlange Entscheidungsprozesse und unflätige Ausdrücke erlebt. Ein Kollege habe ihr Wörter gesagt, die sie im Landtag nicht in den Mund nehmen wolle: „Es war auch für mich als Frau schwer auszuhalten.“
FDP-Obmann Oliver Stirböck mahnte am Rande des Untersuchungsausschusses mit Blick auf Mansoori: „Wenn es sich bestätigt, dass eine Mitgliedschaft in der SPD zur Voraussetzung für eine Weiterbeschäftigung gemacht wurde, ist das ein handfester Skandal. Dann kann der Minister nicht im Amt bleiben.“
Weiterhin Widersprüche?
CDU-Obmann Bellino erklärte dagegen, Messari-Becker bestreite Vorfälle, die mit dienstlichen Erklärungen und Vermerken von unterschiedlichen Personen belegt seien. Diese Widersprüche habe sie nicht auflösen können. Auch SPD-Obfrau Lisa Gnadl kritisierte, dass Messari-Becker Aktenvermerken zufolge mehrmals ihr Amt und ihren Titel als Staatssekretärin für eine besondere Behandlung eingesetzt haben solle.
Kaya Kinkel, Grünen-Obfrau, erklärte: „Offensichtlich wollte sich Wirtschaftsminister Mansoori mit der renommierten Wissenschaftlerin Prof. Dr. Messari-Becker einen Orden an die Brust heften, als er die ehemalige Staatssekretärin nach Wiesbaden holte. Er merkte aber schnell, dass er eine selbstbewusste und sperrige Frau in sein Ministerium geholt hatte, sodass die Freude darüber bald verflog.“