Nach über 40 Jahren Kampf hat der in der Türkei inhaftierte Kurdenführer Abdullah Öcalan zur Auflösung der von ihm mitgegründeten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und zum Gewaltverzicht aufgerufen. Öcalan forderte seine Anhänger am Donnerstag in einer Erklärung dazu auf, nach dem jahrzehntelangen blutigen Konflikt zwischen der PKK und dem türkischen Staat ihre Waffen niederzulegen. International wurde Öcalans Aufruf begrüßt, auch von Kurden im Irak und in Syrien.
Die pro-kurdische Partei DEM hatte am Mittwochabend eine „historische“ Erklärung des wegen Hochverrats inhaftierten Öcalans angekündigt. Öcalans Botschaft wurde nach einem Gefängnis-Besuch von Abgeordneten der DEM auf der Gefängnisinsel Imrali am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Istanbul verlesen. „Alle bewaffneten Gruppen müssen ihre Waffen niederlegen und die PKK muss sich auflösen“, hieß es in der Erklärung. Der 75-jährige Öcalan ließ zudem erklären, er übernehme die „historische Verantwortung für diesen Aufruf“.
Das Auswärtige Amt in Berlin begrüßte den Aufruf Öcalans als „historische Chance“. Auch der Präsident der autonomen Kurdenregion im Irak, Massud Barsani, begrüßte Öcalans Aufruf und rief die PKK auf, ihn umzusetzen. „Wir in der Region Kurdistan unterstützen den Friedensprozess vollauf“, erklärte Barsani. UN-Generalsekretär António Guterres sprach nach Angaben seines Sprechers von einem „Hoffnungsschimmer“, der „zur Lösung eines langjährigen Konflikts führen könnte“.
In den wichtigsten kurdischen Städten im Südosten der Türkei wollten die Menschen die Pressekonferenz eigentlich auf großen Leinwänden verfolgen. In Diyarbakir, Van und Mersin hatten sich bereits viele Menschen zu Musik und Tanz versammelten. Sie mussten ihre Pläne jedoch ändern, weil die türkischen Behörden die Leinwände nicht genehmigten. Ähnlich war die Situation in Nordsyrien und im Irak, wo auch große kurdische Bevölkerungsgruppen leben.
Die DEM und die PKK hatten sich eigentlich dafür ausgesprochen, dass Öcalan seinen Aufruf per Videobotschaft und nicht schriftlich verbreitet. Der türkische Justizminister Yilmaz Tunc hatte dies am Mittwochabend jedoch ausgeschlossen.
Die PKK kämpft seit 1984 gegen den türkischen Staat und für die Rechte der kurdischen Bevölkerung. Sie wird von Ankara und seinen westlichen Verbündeten als Terrororganisation eingestuft. Etwa 45.000 Menschen sind bei den Kämpfen zwischen der PKK und der türkischen Armee bisher getötet worden.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein rechtsnationalistischer Koalitionspartner MHP waren im Herbst überraschend auf Öcalan zugegangen und hatten ihm eine frühere Freilassung in Aussicht gestellt, falls er die PKK auflöst. Im Anschluss stattete eine DEM-Delegation dem inhaftierten Kurdenführer zwei Besuche ab – der Besuch am Donnerstag war der dritte.
Die Oppositionspartei DEM war früher unter dem Namen HDP tätig. Die türkische Regierung wirft ihr vor, der politische Arm der von der türkischen Justiz verbotenen PKK zu sein, was die DEM jedoch bestreitet.
Vor zwei Monaten hatte Öcalan erklären lassen, er habe „die Kompetenz und die Entschlossenheit“, sich an dem von Erdogan und MHP-Chef Devlet Bahceli eingeleiteten Kurswechsel zu beteiligen. Er erklärte sich bereit, „die notwendigen positiven Schritte zu unternehmen“ und einen Aufruf zu veröffentlichen.
Auch der Anführer der kurdisch geführten und von den USA unterstützten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), Maslum Abdi, reagierte zustimmend auf Öcalans Aufruf. „Wir sehen diese Initiative in einem positiven Licht, weil sie sich hier um Frieden dreht“, sagte Abdi bei einer Videokonferenz. Gleichzeitig stellte er fest, der Aufruf die Waffen niederzulegen, betreffe die PKK, aber „nicht unsere Streitkräfte“.
Die SDF versuchen in Nordsyrien ihre mühsam errungene Autonomie gegen die Türkei und die neuen islamistischen Machthaber in Damaskus zu verteidigen. Ankara sieht die zu den SDF gehörende kurdische YPG als einen Ableger der PKK an.