Glücksspiel: Auf der Couch mit der Gewinner-Betreuerin

Bloß nichts im Bekanntenkreis erzählen! Das ist der wichtigste Rat von Sabine Mausolf für frisch gebackene Lotto-Millionäre. Welche Erlebnisse haben die Gewinner-Betreuerin besonders berührt?

Wer in Hessen einen größeren Lottogewinn abgeräumt hat, bekommt es mit Sabine Mausolf zu tun. Vorausgesetzt, man möchte sich von Lotto Hessen ganz allgemein beraten lassen. Wem erzähle ich von dem Gewinn? Knalle ich meinem Chef gleich morgen die Kündigung auf den Tisch? Sollte ich die Bank wechseln? Bei solchen Fragen könnte der Rat der Expertin hilfreich sein. Beispielsweise auch für den Gewinner oder die Gewinnerin von fast 88 Millionen Euro vor knapp zwei Wochen. Es hat sich zwar jemand gemeldet. Lotto Hessen wartet derzeit jedoch noch auf die Vorlage der Quittung im Original.

„Viele Kunden wollen von uns als Erstes die Bestätigung bekommen, dass sie wirklich so viel gewonnen haben, dass ihre Zahlen wirklich den Jackpot geknackt haben“, sagt Mausolf. Auch bei den ganz großen Summen reagierten die meisten eher ruhig und verhalten. „Manche zeigen ihre Freude aber auch deutlich.“ Fast alle der Millionengewinnerinnen und -gewinner nehmen das freiwillige Beratungsangebot an, bei sechsstelligen Gewinnen ist es etwa die Hälfte der Spieler, sagt Lotto-Sprecher Andreas Bickler. Grundsätzlich sei jeder Gewinner bei Fragen in der Zentrale willkommen – auch bei kleineren Summen. 

„Zu den wichtigsten Tipps zählt, dass der Kunde erst mal Ruhe bewahren sollte“, sagt Mausolf. „Und auf jeden Fall sollte man nicht jedem von dem Gewinn erzählen.“ Die große Summe könnte sonst neben Neid auch Begehrlichkeiten im Bekanntenkreis wecken. Manchmal könnte die Notlüge von einer kleinen Erbschaft helfen, wenn den Nachbarn das neue Auto oder der zusätzliche Urlaub auffällt. Wer kleinere Kinder hat, sollte sich ebenfalls gut überlegen, ob der Gewinn ein Thema in der Familienrunde werden soll, rät Mausolf. Womöglich plaudert der Nachwuchs sonst etwas aus. 

Eine konkrete Finanz- oder Rechtsberatung bietet das Team von Lotto Hessen nicht an – jedoch gibt es den Kunden den Tipp mit auf den Weg, sich bei größeren Gewinnen die Angebote verschiedener Finanzinstitute anzuschauen.

Womöglich könnte neues Konto hilfreich sein

Wer in einem kleineren Ort lebt, sollte darüber nachdenken, für das Lottogeld ein neues Konto bei einer anderen Bank zu eröffnen, gibt Mausolf zu Bedenken. Manchmal zählen Bankangestellte zur Nachbarschaft oder zum Bekanntenkreis und dann könnte die Nachricht von dem großen Geld trotz des Bankgeheimnisses schnell die Dorfrunde machen.

Was wollen denn die Gewinner am dringlichsten wissen? Zu den ersten Fragen zählt nach den Erfahrungen von Mausolf, ob denn der Gewinn versteuert werden muss. Und da hat die Expertin eine gute Nachricht: Lotteriegewinne sind steuerfrei, da bereits beim Ausfüllen des Scheins Lotteriesteuer gezahlt wurde. 

In der hessischen Lotto-Zentrale gibt es einen speziellen Raum mit einer roten Couch und einer Kaffeemaschine, in dem in Ruhe die Beratungsgespräche geführt werden. Hier bekommen Mausolf und ihre Kolleginnen Einblick in sehr persönliche Dinge. „Ich hatte schon Kunden, die in schwierigen finanziellen Situationen waren, die gesagt haben: „Das kommt jetzt gerade richtig“.“ Eine Sozialhilfeempfängerin habe ihr nach einem höheren Gewinn gesagt: „Jetzt kaufe ich mir erst mal einen neuen Regenschirm.“

Lottoschein beim Aufräumen entdeckt

Auch verrückte Geschichten rund um verlegte oder vergessene Lotto-Scheine kommen der Expertin zu Ohren. Erst vor wenigen Wochen habe ein Mann seine Spielquittung vorgelegt, die immerhin 260.000 Euro wert war. „Als ich mir das Papier genauer anschaue, fällt mir das Datum vom Januar 2023 auf“, erzählt Mausolf. Der Kunde berichtet ihr, dass er den Schein beim Aufräumen entdeckt habe. Es war noch rechtzeitig: Gewinne können drei Jahre lang geltend gemacht werden. 

Manche Schicksale sind sehr bewegend

Mausolf ist gelernte Bürokauffrau und begleitet seit inzwischen 38 Jahren Lotto-Gewinner. Aus all den Jahren ist ihr ein älteres Ehepaar besonders im Gedächtnis geblieben. Die beiden kamen mit ihrem Lottoschein in die Zentrale und hatten mehrere Tausend Euro gewonnen. Als die ältere Dame das Formular für die Überweisung des Geldes unterschreiben sollte, musste sie erst eine Lupe aus ihrer Handtasche holen, weil die Augen schon schlecht waren. „Von dem Geld wollte sie sich eine neue Lupe kaufen und vielleicht noch ein Kleid“, erzählt Mausolf. „Das hat mich sehr bewegt und berührt.“

„Ich kann mich auch mit den Kunden freuen.“

Zu den wichtigsten Voraussetzungen ihres Berufs zählt Mausolf den gesunden Menschenverstand und Empathie. „Jeder Mensch ist ja doch anders und es ist immer wieder toll.“ Das mache den Beruf spannend und abwechslungsreich, sagt Mausolf. „Ich kann mich auch mit den Kunden freuen, ich bin da nicht neidisch. Das wäre ja auch nicht gut in meiner Rolle.“ 

Wenn sie im privaten Umfeld von ihrem Job erzählt hört sie eine Frage regelmäßig: Kannst du mir die Zahlen für nächsten Samstag sagen? Aber diesen Tipp kann Sabine Mausolf natürlich nicht geben.