Gehen den Ermittlern im Bereich der Organisierten Kriminalität die Verdächtigen aus? Das aktuelle Lagebild nennt Gründe.
Die Polizei hat in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Organisierten Kriminalität zuletzt deutlich weniger Verdächtige ausmachen können. Die Verdächtigen-Zahl sank 2023 im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel auf 854, nach 1.284 im Vorjahr, wie aus dem aktuellen Lagebild des Landeskriminalamts NRW zur Organisierten Kriminalität 2023 hervorgeht, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Den Ermittlern dürfte dieser Rückgang nicht gefallen, denn sie schreiben selbst, dass es sich um ein Kontrolldelikt handelt. Das bedeutet: Je mehr ermittelt wird, desto mehr Verdächtige kommen ans Licht.
Den Rückgang erklären sie damit, dass die vielen Verfahren, die auf der Entschlüsselung von Krypto-Messengerdiensten beruhen, deutlich weniger Verdächtige haben als Verfahren, die auf andere Weise zustande kommen. Außerdem seien etliche Ermittlungsverfahren neu und noch nicht alle Verdächtigen ermittelt, wohingegen mehrere große Verfahren mit überdurchschnittlich vielen Tätergruppen 2022 abgeschlossen worden seien.
Mafia, Rocker, Clans
Zur Organisierten Kriminalität zählen die Ermittler die Aktivitäten der Mafia, albanischer Gruppen, kriminelle Rockergruppen und die Clankriminalität. In den meisten der 73 Verfahren (Vorjahr 80) ging es um Rauschgifthandel.
Der Begriff Clankriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.
Während in der Organisierten Kriminalität Gewalt und Einschüchterung bis hin zur Tötung die Mittel der Wahl sind, seien die Mittel im Bereich der Organisierten Wirtschaftskriminalität deutlich subtiler: So sei bei kriminellen Cum-Ex-Geschäften versucht worden, durch Gutachten renommierter Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und gezielte Veröffentlichungen in steuerrechtlichen Fachzeitschriften die öffentliche Meinung zu beeinflussen, heißt es im Lagebild.
Albanische Gruppen stark im Drogenhandel
Die Organisierte Kriminalität habe in der Regel internationale Bezüge. Die Ermittler stießen auf 19 albanisch dominierte Gruppen und 18 deutsch dominierte Gruppen. Der hohe Anteil albanischer Gruppen belege deren inzwischen herausragende Bedeutung im Bereich des internationalen Kokain- und Cannabis-Handels.
Die deutschen Gruppierungen stünden hingegen im Verdacht, Cannabisplantagen und Amphetamin-Labore zu betreiben, oder ebenfalls mit Kokain zu handeln.
Umsatzsteuerkarussell und Abrechnungsbetrug
Italienische Gruppen seien im Zusammenhang mit kriminellen Umsatzsteuerkarussellen und Abrechnungsbetrug in Corona-Testzentren aufgefallen. Bei vier der Italienisch dominierten Gruppen konnten die Ermittler Verbindungen zur Mafia nachweisen. Dabei ging es stets um internationalen Drogenhandel.
Die aufgedeckten Gewinne aus kriminellen Geschäften bezifferten die Ermittler für das Jahr 2023 auf 96,8 Millionen Euro (Vorjahr 163,7), den wirtschaftlichen Schaden auf 31,4 Millionen Euro (133,9). Bei der Vermögensabschöpfung blieben die Ermittler mit 14 Millionen Euro (22) ebenfalls hinter dem Vorjahr zurück.