80 Jahre nach der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau haben Überlebende und Politiker aus aller Welt am Montag mit einer Gedenkveranstaltung der mehr als eine Million Todesopfer in dem Lager gedacht. Auschwitz stehe „für die Monstrosität eines beispiellosen Menschheitsverbrechens“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er rief dazu auf, die Erinnerung wach zu halten. Ehemalige KZ-Insassen warnten bei der Zeremonie vor einem weltweiten Wiederaufflammen des Antisemitismus.
„Ich als Bundespräsident bin dankbar, dass ich hier und heute gemeinsam mit Überlebenden, gemeinsam mit Repräsentanten aus vielen Staaten gedenken kann“, betonte Steinmeier bei seinem Besuch vor Ort. Was Zeitzeugen zu sagen hätten, sei von unschätzbarem Wert. „Aber es ist jetzt an uns, ihre Mahnungen, ihre Erwartungen an die nächsten Generationen weiterzureichen.“
Neben Steinmeier nahmen auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der britische König Charles III., Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie Dutzende weitere Politiker an der zentralen Gedenkfeier in der Gedenkstätte teil. Politische Reden hatten die Organisatoren nicht vorgesehen.
Stattdessen standen die rund 50 Überlebenden des Konzentrationslagers im Mittelpunkt der zentralen Gedenkveranstaltung. „80 Jahre nach der Befreiung befindet sich die Welt erneut in einer Krise“, sagte die 86-jährige Tova Friedman, die gemeinsam mit den ehemaligen Insassen Marian Turski, Janina Iwanska und Leon Weintraub zu den Anwesenden sprach. Der „grassierende Antisemitismus“, der sich derzeit ausbreite, sei „schockierend“, sagte sie.
„Wir erleben heute und jetzt einen enormen Anstieg des Antisemitismus“, warnte der 98-jährige Turski. „Es ist genau der Antisemitismus, der zum Holocaust geführt hat.“
Am Morgen hatten einige der Überlebenden Blumen an der sogenannten Todeswand niedergelegt, wo tausende Auschwitz-Häftlinge von den Nazis erschossen wurden. Manche von ihnen trugen blau-weiß gestreifte Schals als Symbol für ihre frühere Häftlingskleidung. Am Fuß der Mauer entzündeten sie Kerzen zum Gedenken und berührten die Mauer dann schweigend mit der Hand.
Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, betonte bei der Zeremonie, dass die Schrecken von Auschwitz und auch der Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 beide vom „uralten Hass auf Juden“ inspiriert seien. Der Antisemitismus „hatte damals seine willigen Unterstützer, und er hat sie auch heute“.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte mit Blick auf die Verbrechen der Nazis in Auschwitz: „Wir dulden kein Vergessen, nicht heute und nicht morgen.“ Vor der Zeremonie kamen Scholz und Steinmeier nach einem Rundgang durch das frühere KZ mit Überlebenden zusammen. Als Gäste des Bundespräsidenten waren die Holocaust-Überlebenden Pavel Taussig und Christian Pfeil mit dem Regierungsflugzeug von Berlin nach Polen gereist.
An der Gedenkzeremonie zum 75. Jahrestag der Befreiung hatten vor fünf Jahren noch mehr als hundert Auschwitz-Überlebende teilgenommen. Die Zahl der Überlebenden sinkt allerdings stetig. Es sei eine „Besonderheit“ des Treffens vom Montag, „dass es eines der letzten sein wird mit Überlebenden“, hieß es aus dem Bundespräsidialamt.
„Was damals geschah, darf nie wieder geschehen“, erklärte auch die deutsche Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. „Wir dürfen niemals vergessen, doch erinnern allein reicht nicht“, betonte die 103-Jährige und rief zum Einsatz für Toleranz und Menschlichkeit auf.
Die Nazis hatten im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz im besetzten Polen zwischen 1940 und 1945 mehr als eine Million Menschen ermordet, die meisten waren europäische Jüdinnen und Juden. Das Lager steht wie kein zweites für den Massenmord an den Juden durch das deutsche NS-Regime.
Das KZ war am 27. Januar 1945 durch Soldaten der Roten Armee befreit worden. Daran erinnerte am Montag auch der russische Präsident Wladimir Putin. „Wir werden uns immer daran erinnern, dass es der sowjetische Soldat war, der dieses schreckliche und totale Böse zerschlagen und den Sieg errungen hat, dessen Größe für immer Teil der Weltgeschichte bleiben wird“, erklärte der Kreml-Chef.
Russland wurde seit dem Einmarsch in der Ukraine vor gut drei Jahren nicht mehr von der Stiftung Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau zu der jährlichen Gedenkzeremonie eingeladen.