Milliardäre mit zu viel Geld und Macht? Gibt’s nicht nur in den USA, kritisiert die Organisation Oxfam. In einer Hinsicht hat Deutschland sogar ein ganz besonderes Reichenproblem.
Der neue US-Präsident: ein Milliardär. Sein Vize: Multimillionär. Und der reichste Mann der Welt hat auch seine Finger mit im Spiel. In Deutschland gucken viele mit Grauen darauf, wie einige Superreiche gerade die mächtigste Demokratie der Welt übernehmen. Zum Glück, mag sich manch einer trösten, ist bei uns alles anders. Oder?
Die Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam hat einen kritischeren Blick. Sie sagt: Zunehmender individueller Reichtum und extreme soziale Ungleichheit gefährdet auch in Deutschland massiv die Demokratie.PAID Interview Financial Wellbeing, 12.43
Pünktlich zum Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos und der Amtseinführung der neuen Trump-Regierung hat Oxfam einen neuen Bericht über Reichtum und globale Ungleichheit veröffentlicht. Weltweit ist die Zahl der Milliardärinnen und Milliardäre demnach im vergangenen Jahr um 204 Personen auf 2769 gestiegen. Das Vermögen dieser super-exklusiven Gruppe stieg laut Oxfam 2024 um unglaubliche zwei Billionen US-Dollar und damit dreimal schneller als 2023. Die Zahl der Menschen in Armut hingegen stagniert.
Oxfam kritisiert Reichenlobby
Auch in Deutschland erging es den Superreichen 2024 nicht schlecht. Während die Wirtschaft hierzulande insgesamt schrumpfte, vermehrte sich das Vermögen der Milliardärinnen und Milliardäre um 26,8 Milliarden US-Dollar (umgerechnet 26 Milliarden Euro). Der Club der deutschen Milliardäre wuchs um neun Mitglieder auf 130. Mehr Milliardäre gibt es nur in den deutlich bevölkerungsstärkeren USA, China und Indien.
In Deutschland stünden die Milliardäre weniger in der ersten Reihe als in den USA. Im Hintergrund aber übten sie ebenso Macht aus, um die Politik zu ihren Gunsten zu beeinflussen, kritisiert Oxfam. Als Beispiele nennt die Organisation Lobby-Verbände wie „Die Familienunternehmer“ oder die „Stiftung Familienunternehmen und Politik“, die mit viel Geld auf eine geringe Besteuerung der Reichen hinwirkten. Gehaltsreport 18.00
Und das mit Erfolg: „Auch Deutschland ist mittlerweile ein Hochsteuerland für Menschen, die für ihr Geld arbeiten, aber ein Niedrigsteuerland für Superreiche, die ihr Geld für sich arbeiten lassen können“, schreibt Oxfam. Familien aus der Mittelschicht zahlten auf ihr Arbeits-Einkommen anteilig mehr Steuern als Superreiche, die auch Einkommen aus anderen Quellen wie Kapitalerträgen und Unternehmensgewinnen beziehen.
Reich dank Erbe
Als wesentliche steuerliche Faktoren, die die Ungleichheit in Deutschland verstärken, sieht Oxfam das Fehlen einer Vermögensteuer (seit 1997 ausgesetzt) sowie die Ausnahmen für große Unternehmensvermögen bei der Erbschaftssteuer. Das führt dazu, dass Reichtum in Deutschland noch stärker als anderswo vererbt und nicht erarbeitet wird. So schätzt Oxfam, dass weltweit 36 Prozent aller Milliardenvermögen aus Erbschaften stammen, in Deutschland hingegen 71 Prozent.
Die wachsende Ungleichheit werde in Deutschland zunehmend zum Problem, analysiert der Oxfam-Bericht. Eine Politik, die die Reichen bevorzuge und die Interessen der Armen vernachlässige, untergrabe den Glauben vieler Menschen an die Demokratie. „Das bereitet den idealen Nährboden für rechtsextreme und -populistische Kräfte.“ Menschen in Armut und mit geringen Einkommen hätten insgesamt weniger Vertrauen in das System. Materielle Sorgen und Abstiegsängste reichten in Deutschland aber mittlerweile bis weit in die Mittelschicht hinein.
Forderungen an die Bundesregierung
Um die Ungleichheit abzubauen, hat Oxfam an die nächste Bundesregierung drei zentrale Forderungen.
Eine Vermögensteuer von zwei Prozent für Multimillionäre und Milliardäre, die einen zweistelligen Milliardenbetrag einbringen soll.Dieses Geld soll in Maßnahmen für mehr Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit (Bildung, öffentliche Infrastruktur, Klimageld, Entwicklungszusammenarbeit) investiert werden.Bundesregierung, Bundeskartellamt und EU-Kommission sollen prüfen, in welchen Branchen einzelne Konzerne zu große Marktmacht haben und dagegen vorgehen. Als Beispiele nennt der Bericht nicht nur große Tech-Konzerne, sondern auch den Lebensmitteleinzelhandel.
Für seinen Bericht stützt sich Oxfam unter anderem auf Vermögensschätzungen des US-Magazins „Forbes“, auf den Vermögensreport der Großbank UBS sowie Daten der Weltbank.
Quellen: Oxfam-Bericht „Takers, not Makers (englisch) / Oxfam-Bericht für Deutschland