Am Sonntag ging es im „Tatort“ um eine Geiselnahme durch rechtsextreme Terroristen. Eine spannende Story. Trotzdem versauten sich die Macher den Film mit nur zwei Worten.
Dies hätte der perfekte „Tatort“ sein können! Am Sonntag waren in der Folge „Verblendung“ mal wieder die Stuttgarter Ermittler Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) dran, die zu den besten Teams des Sonntagabend-Formats gehören. Aber auch, was Regisseur Rudi Gaul gemeinsam mit Co-Drehbuchautorin Katharina Adler diesmal ablieferte, war in vielem sensationell.
Statt behäbig eine Geschichte aufzubauen, warf der „Tatort“ die Zuschauer mitten hinein in ein Geiseldrama und auch gleich in einen lebensgefährlichen Moment für Kommissar Bootz. Eine Geschwindigkeit, die er in der anschließenden Rückblende beibehalten konnte, unter anderem mit dem Trick des „Split Screens“, des geteilten Bildschirms, der parallel zwei Handlungsstränge zeigt. So sah das Publikum einerseits eine Filmpremiere mit örtlichen Honoratioren beim Sektempfang und wusste zugleich, dass zwei Terroristen diese Veranstaltung in Kürze überfallen würden.
So würde eine rechte RAF agieren
Inhaltlich wurde geschickt die Frage durchdekliniert, wie wohl eine rechtsextreme RAF agieren würde, nicht ohne die eine oder andere Anspielung auf die echte linksextreme RAF, deren Anführer zum Teil in Stuttgart-Stammheim einsaßen und dort auch kollektiv Selbstmord begingen, was in der Szene aber lange als Mord verkauft wurde. In der „Tatort“-Episode wird das auf rechts gedreht. Die Terroristen glauben, der Staat habe einen der ihren im Gefängnis gezielt ums Leben gebracht.
Die Handlung war größtenteils kammerspielartig in einem Kinosaal angesiedelt, was eine beklemmende Atmosphäre schuf. Der geschlossene Raum ermöglichte auch eine sozio-psychologische Betrachtung einer Gruppendynamik im Ausnahmezustand. So wurden die Zuschauer vor die Frage gestellt: Wenn Terroristen dich zwingen würden, aus deiner Geiselgruppe das nächste Opfer auszusuchen – was würdest du tun?
Zusammengebunden wurde alles durch die hervorragende Hauptdarstellerin Anna Schimrigk, die in Aussehen, Auftritt und Anmutung an historische „Vorbilder“ aus der RAF-Szene erinnerte und auch deren Kaltblütigkeit überzeugend verkörperte.
Es hätte also ein grandioser TV-Abend werden können, hätten nicht die beiden Drehbuchautoren es für nötig befunden, die Protagonistin in ihrem rechts-rassistischen Verschwörungsgeschwurbel auch von Migranten als „kleinen Paschas“ sprechen zu lassen.
„Kleine Paschas“, so hatte CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz vor zwei Jahren Migrantenkinder genannt, als er über Integrationsprobleme sprach. Dafür hatte er einen Riesen-Shitstorm geerntet.
So macht sich der „Tatort“ angreifbar
Man kann über diese Aussage lange streiten: Hat sie einen problematischen Unterton, oder bringt sie polemisch ein Phänomen auf den Punkt, was es tatsächlich an einigen Schulen mit hohem Ausländeranteil in sozialen Brennpunktkiezen gibt?
Zu unterstellen, Merz mache seine Partei damit anschlussfähig für rechtsextremistisches Verschwörungsgeschwurbel, ist aber infam. Man müsste sich nur umgekehrt überlegen, wie wohl die Reaktion im mitte-linken Spektrum ausgefallen wäre, wenn mitten im Wahlkampf im „Tatort“ ein Linksextremist auftauchen würde, der unter Bezug auf Robert Habeck den sofortigen Einbau von Wärmepumpen im ganzen Land fordert und – um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen – anfängt, Menschen zu erschießen.
Merz und das terroristische Weltbild
Friedrich Merz ist ein konservativer Demokrat. Terroristen sind Radikale, die sich aus radikalen Ideen ihr krudes Weltbild basteln, nicht aus der Polemik von Demokraten. Wer anderes behauptet, macht sich lächerlich. Gerade der „Tatort“, der wie auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in rechtskonservativen Kreisen immer unter dem Verdacht steht, zu „links“ zu sein und entgegen seines Auftrags die Welt einseitig zu betrachten und darzustellen, sollte sich hier nicht angreifbar machen. Und schon gar keine Folge versauen, die ansonsten alles mitbrachte, um die beste des Jahres zu werden. So hinterlässt der „Tatort“ nicht nur herunter gekaute Fingernägel ob seines Suspense-Effekts, sondern – leider – auch einen bitteren Nachgeschmack.