Cannabis im Club anbauen – diese Aussicht sorgte nach der Legalisierung für „Goldgräberstimmung“ in der Szene. Doch viele sind durch strenge Auflagen und die baldige Bundestagswahl verunsichert.
Nach der Cannabis-Teillegalisierung und der Freigabe des Anbaus in speziellen Vereinen hat sich bei einigen hessischen Cannabis-Clubs Ernüchterung breitgemacht. Der Genehmigungsprozess sei kompliziert und langwierig, heißt es aus dem Umfeld der Clubs. Man kämpfe mit restriktiven Vorgaben und hohen Kosten, und manche Club-Initiatoren hätten ihre Pläne wegen schwieriger Rahmenbedingungen auch schon aufgegeben.
Bislang nur zwei Genehmigungen in Hessen
Hessenweit haben bislang zwei Clubs eine Genehmigung des zuständigen Regierungspräsidiums Darmstadt für den Cannabis-Anbau erhalten – darunter die Broccoli Buddies aus dem Landkreis Fulda und ein Club aus dem Landkreis Gießen. Beantragt haben die Genehmigungen derzeit 28 Clubs, wie sich der Homepage der Behörde entnehmen lässt. „Bislang wurde kein Antrag abgelehnt. Vielmehr setzen wir auf den Dialog mit den Vereinigungen, um sie bei der Antragstellung zu unterstützen“, erklärt ein Sprecher. Zwei Anträge seien zurückgezogen worden, zu den Hintergründen könne man keine Auskunft geben.
Kritik an den Vorgaben für Clubs
Als Bearbeitungszeit peilt das Regierungspräsidium einen Zeitraum von drei Monaten an. Um eine Anbaugenehmigung für Cannabis zu erhalten, müssen die Clubs beispielsweise die Zahl der Mitglieder angeben sowie die Lage des Grundstücks und Größe der Anbauflächen und Gewächshäuser. Auch Angaben darüber, wie viel Cannabis pro Jahr – getrennt nach Marihuana und Haschisch – angebaut und abgegeben werden soll, sind zu machen.
Schon die Angaben zu Grundstück und Anbauflächen seien vor dem eigentlichen Beginn schwierig zu machen, sagt einer der Initiatoren, der aus Sorge vor möglichen Folgen für einen Genehmigungsprozess nicht namentlich genannt werden möchte. Dafür müssten die Gebäude beziehungsweise Anbauflächen bereits angemietet oder gekauft sein, was angesichts rechtlicher Unsicherheiten mit hohen finanziellen Risiken verbunden sei.
Man müsse sich darauf einstellen, monatelang quasi leer zu mieten – und schließlich vielleicht gar keine Anbaulizenz zu erhalten. Hinzu kämen anwaltliche Beratungskosten und weitere finanzielle Belastungen, noch lange bevor die ersten Pflanzen gedeihen oder gar Cannabis tatsächlich an Clubmitglieder abgegeben werden könne.
Politische Unsicherheit angesichts der Bundestagswahl
Das größte Problem für die Clubs sei aber die politische Unsicherheit angesichts der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar. So hatten die Unionsparteien mehrfach angekündigt, die Cannabis-Legalisierung wieder kippen zu wollen. Ein Antrag auf Anbaugenehmigung zum jetzigen Zeitpunkt macht deshalb aus Sicht von Fynn von Kutzschenbach wenig Sinn. Der Jungunternehmer ist Gründer eines Cannabis-Vereins in Mainz sowie mehrerer solcher Vereine in Hessen.
Fachgeschäfte als Konkurrenz?
Auch er hat beobachtet, dass die anfängliche „Goldgräberstimmung“ eher einem Kater gewichen sei. Für von Kutzschenbach gibt es noch einen weiteren wichtigen Grund, derzeit keine Anbaugenehmigung zu beantragen: Selbst wenn es bei der Legalisierung bleibt und die Droge künftig in einigen Städten tatsächlich über Fachgeschäfte verkauft werden sollte, würde dies Anbauvereinen in die Quere kommen.
Man sei deshalb froh, keine Immobilien gemietet oder gar angekauft zu haben. „Wo ist der Reiz eines Cannabis Social Clubs, wenn man es auch im Geschäft kaufen kann?“, sagt von Kutzschenbach. Beantragt ist ein solcher Testlauf beispielsweise in Frankfurt: Hessens größte Stadt will den Verkauf an Erwachsene in Fachgeschäften testen, bis zu vier solcher Verkaufsstellen sind geplant.
Gesellschaftlicher Querschnitt unter Vereinsmitgliedern
Von Kutzschenbach selbst konsumiert das Rauschmittel nach eigenen Worten nicht, sondern beschäftigt sich „ehrenamtlich“ mit dem Thema. Wenn Alkohol oder sogar Lachgas bisher erlaubt seien, stelle sich für ihn die Frage, warum Cannabis nicht legal sein sollte, sagt er. Sollte die Legalisierung wieder aufgehoben werden, will er mit seinen Vereinen aktiv bleiben – und sich dann in der Prävention und Suchtberatung engagieren.
Betätigungsfeld dafür dürfte es aus Sicht des Jungunternehmers genug geben, denn nach seiner Einschätzung bauen seit der Legalisierung Anfang April vergangenen Jahres sehr viel mehr Menschen Cannabis zu Hause an. Das Thema ziehe sich quer durch die Gesellschaft, sagt von Kutzschenbach. Das sei auch in seinen Vereinen festzustellen – unter den Mitgliedern und Interessenten fänden sich Politikerinnen und Politiker ebenso wie Ärzte, Anwälte und Polizisten.
Poseck: Teillegalisierung gehört zum „Scherbenhaufen“ der Ampel
Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) bezeichnete die Teillegalisierung erneut als „gravierenden Fehler“. Das Gesetz gehöre „zum Scherbenhaufen, den die Ampel hinterlässt. Wenn die kommende Bundesregierung das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung rückgängig machen möchte, hat sie meine Unterstützung“, erklärte der Minister. Dass bislang im Bundesland lediglich zwei Anbauvereinigungen genehmigt werden konnten, zeige zum einen, „dass das Interesse eher gering ist“, so Poseck. „Zum anderen wird deutlich, wie aufwendig das Genehmigungsverfahren ist.“