Deutsche Bahn: Verspätungen auf der Riedbahn – hat die Bahn zu viel versprochen?

Auf der frisch sanierten Strecke Frankfurt-Mannheim häufen sich die Pannen. Die Bahn beruhigt: Das seien nur Kinderkrankheiten, die bald verschwinden sollen. Aber stimmt das auch?

Dass es noch ruckeln würde auf der Riedbahn, darauf war die Bahn gefasst. Das sei normal und schmälere die Leistung nicht, so hat es sinngemäß Bahnvorstand Berthold Huber im Abspann der großen Eröffnungsparty bei Gernsheim Mitte Dezember gesagt. Nun reißen die Pannen nicht ab – und so mancher Fahrgast ärgert sich. Mal eine Signalstörung da (Groß-Gerau, Bobstadt), eine kaputte Oberleitung dort. Die „Entschuldigen Sie bitte die Verspätung“-Durchsagen läppern sich schon wieder. 

An Neujahr waren einzelne Züge 20 Minuten verspätet, an Heiligabend 40 Minuten. Wer die Fernzüge von Frankfurt nach Mannheim am 7. Januar auf der DB App spottete, stieß ebenfalls auf ICEs mit 10, 15 oder auch mehr Minuten Verspätung. 

Gute Gründe hat die Bahn ja immer parat: Ein Kurzschluss wegen einer kaputten Weichenheizung legte etwa eine Oberleitung lahm. Dauerbrenner bleiben der zu spät bereitgestellte Zug und die vorausfahrende unpünktliche Regionalbahn, an die der ICE nicht vorbeikommt. Da kann man nicht gegen ansanieren. Doch es wundert schon, wenn die DB-Bautrupps nun regelmäßig für Reparaturarbeiten auf einer frisch sanierten Strecke ausrücken müssen. Auch der Verband der Güterbahnen stellt auf DB-Watch, eine Art DB-Pranger, konsterniert fest, dass noch in der Eröffnungsnacht auf der Riedbahn ein Gleis südlich von Gernsheim für fünf Stunden gesperrt wurde – für turnusmäßige Instandhaltungsarbeiten.

Muss das wirklich sein, alles ist doch nagelneu? 1200 Signale hat die DB ersetzt, 152 Weichen, 70 Kilometer Fahrdraht (Oberleitungen) und 110 Kilometer Schienen neu verlegt. Kosten der Supersanierung: 1,3 Mrd. Euro.  Als Bonus versprach die DB Baufreiheit für fünf Jahre und pünktlichere Züge bundesweit, ein Plus von drei Prozent allein aufgrund der Grundsanierung der Riedbahn.

Bahn spricht von Kinderkrankheiten 

Was also ist los? Ist die Bahn überhastet „fertiggeworden“ und muss jetzt deshalb nachbessern? Hat sie geschummelt, geschludert – oder sind es wirklich nur Einzelfälle, „erwartbare Kinderkrankheiten“, wie die Bahn behauptet. 

„Positiv überrascht“, ist Philipp Nagl, Chef der DB-Tochter InfraGo, vom bisherigen Betrieb. Vereinzelte kleinere Störungen seien aufgetreten, anfangs täglich, inzwischen fahren sie auch zwei bis drei Tage störungsfrei. Und längst nicht jede Störung zieht Verspätungen nach sich.

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Vermeidbar ist das aus Sicht der Bahn nicht: Einen Wackelkontakt in einer Kabelklemme offenbart sich oft erst nach einiger Zeit, Fehler in der Software oder bei Steck- und Lötverbindungen treten erst bei größeren Erschütterungen auf, manche Teile sind kälteempfindlich. Es ist halt etwas anders, wenn täglich 300 Züge über die Riedbahn donnern als ein paar Wochen lang einige Testzüge. 

Langsamer, aber nicht unpünktlicher

Ein ernstes Manko gibt es allerdings: Die Bahn wird dort für ein halbes Jahr nur Tempo 160 fahren können statt wie bisher 200 Kilometer, weil nicht alles fertig geworden ist. So ist die Strecke zwar mit ETCS, digitaler Zugsteuerung, ausgestattet, aber diese Technik ist noch nicht in Betrieb. Der Südabschnitt, circa ein Drittel der Gesamtstrecke, soll bald starten, irgendwann im zweiten Quartal dann der Rest.

„Die Riedbahn bleibt erst mal noch ein Verspätungsloch“, fürchtet deshalb auch Christian Böttger, Professor für Verkehrswesen an der Berliner HTW. Das koste Minuten und man können auch nicht für ein halbes Jahr alle Fahrpläne umstellen, so Böttger. Die Bahn räumt ein, dass ein ICE dadurch zwei Minuten auf der Strecke verliert, hält aber dagegen, dass jeder Zug drei Minuten gewinnt – weil nun alle Baustelle weg sind. 

Erste Bilanz will die Bahn Ende Februar ziehen, nach den Neuwahlen. Jetzt, nach drei Wochen, sei es dafür noch zu früh. 

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