In Österreich sind die Koalitionsverhandlungen für ein Dreierbündnis zwischen der ÖVP, der SPÖ und den liberalen Neos geplatzt. Die Liberalen verkündeten am Freitag ihren Ausstieg aus den wochenlang geführten Gesprächen. Trotz intensiver Verhandlungen habe mit Schwarz-Rot „kein Durchbruch“ erzielt werden können, sagte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger bei einer Pressekonferenz in Wien. Für grundsätzliche Reformen habe es mehrfach ein Nein gegeben. Neben einer Neuwahl bleiben nun mehrere Koalitionsszenarien – mit unterschiedlich guten Erfolgsaussichten.
Sie habe die Parteichefs von ÖVP und SPÖ, Karl Nehammer und Andreas Babler, sowie den Bundespräsidenten Alexander van der Bellen am Morgen darüber informiert, „dass wir Neos die Verhandlungen zu einer möglichen Dreierkoalition gemeinsam mit Schwarz-Rot in der Rolle eines künftigen Regierungspartners nicht fortsetzen werden“, sagte Meinl-Reisinger. Allerdings sicherte sie ÖVP und SPÖ in manchen Punkten die Unterstützung ihrer Partei im Parlament zu. „Wir sagen nicht Nein zu den Kompromissen, die schon erzielt worden sind“, versicherte sie.
Ein Dreierbündnis wäre eine Premiere in der österreichischen Politik seit 1949 gewesen. Allerdings zeichneten sich bereits während der im Oktober aufgenommenen Koalitionsverhandlungen strittige Themen ab. Uneinig waren sich die Konservativen von der ÖVP, die Sozialdemokraten von der SPÖ und die Liberalen etwa bei der Wirtschaft und dem Haushalt. Zwischenzeitlich drohte ÖVP-Chef Nehammer der SPÖ sogar mit einem Verhandlungsabbruch.
Das EU-Land Österreich kämpft mit einer schwächelnden Wirtschaft und einem hohen Haushaltsdefizit. Bei der Nationalratswahl Ende September war die rechtspopulistische FPÖ mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Parlament geworden. Die konservative ÖVP erzielte 26,3 Prozent, gefolgt von der sozialdemokratischen SPÖ mit 21,1 Prozent. Der ultrarechte FPÖ-Chef Herbert Kickl, der Kanzler werden wollte, fand bei ÖVP und SPÖ aber keinen Partner für eine Regierungsbildung. Daher hatten ÖVP, SPÖ und Neos Koalitionsverhandlungen aufgenommen.
Nach dem Platzen der Koalitionsgespräche bleiben laut der Nachrichtenagentur APA nun neben der Option einer Neuwahl mehrere Koalitionsszenarien. Zweier-Varianten gelten allerdings als unwahrscheinlich – und sowohl die ÖVP als auch die SPÖ lehnen bisher eine Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen FPÖ ab. Eine klassische „große Koalition“ aus SPÖ und ÖVP käme nur auf eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme oder 92 Mandanten in dem 183 Sitze zählenden Nationalrat. Auf eine derart wenig abgesicherte Zusammenarbeit lassen sich die Parteien laut APA wegen möglicher Abweichler jedoch in der Regel nicht ein.
Rechnerisch möglich wäre APA zufolge allerdings eine andere Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Grünen. Diese käme auf eine stabilere Mehrheit von 108 Sitzen. Das nach dem Ausstieg der Neos geplatzte Dreierbündnis aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen wäre auf 110 Mandate gekommen.
Vergleichsweise langwierige Koalitionsverhandlungen sind in Österreich keine Seltenheit: Bei vergangenen Wahlen hatte es durchschnittlich 62 Tage gedauert, um eine Regierung zu bilden.